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wie es die Weisen von Amsterdam, Königsberg und Frankfurt
innerhalb ihrer vier Wände abgesponnen haben, geschehen
sein; als lebendige Triebkraft wird sie ihren Helden in den
Kampf gegen feindliche Willensmächte des Irrtums und der Lüge
„hineinstürmen“, in einen Kampf, der zwar nie für sie selber, stets
aber für die von ihr besessene Persönlichkeit tragischen Ver
lauf nimmt. Ohne den Vorzug, dass er nicht durch unsichere
Tradition, sondern in eigenhändigen unsterblichen Schriften sein
umfassenderes Welt wissen der Nachwelt überliefert hat, gering
zu schätzen, glauben wir die moderne Gestalt eines Giordano
Bruno solchen antiken Philosophen nicht blossen Wissens,
sondern der Lebensführung, wie Buddha, Sokrates und Christus
anreihen zu sollen. Freilich strahlte sein Lebensbild nicht wie
ruhiges Lampenlicht, — er kämpte ösfiag jzvqös aWo/uevoio,
wie die unermüdliche Flamme des Feuers. Gelehrter Witz
hat ihn einmal einen irrenden Ritter der Philosophie genannt;
unter Abwehr des damit leicht verknüpfbaren Vorwurfs der Don
Quichotterie würde ich vorziehen, diesen Helden des Gedankens
einen Herakles des Geistes zu nennen, voll Bedauerns, dass
eine ebenbürtige geistige Nachkommenschaft von Herakliden,
welche seinen Kampf gegen die „triumphierende Bestie“ fort
führe und vollende, ihm bislang versagt geblieben ist.
Bruno wurde im Jahre 1548 vor den Thoren der alt-
berühmten neapolitanischen Stadt Nola, in einem kleinen Ge
höft am Fusse des Berges Cicala geboren, sein Vater Giovanni
Bruno war Soldat, seine Mutter hiess Fraulissa Savolina.
Vielleicht mischte sich deutsches Blut in seine Adern, wie
Brunnhofer aus dem Vornamen seiner Mutter und dem Um
stande schliesst, dass in Nola eine Kolonie deutscher Lands
knechte sass 1 ). Seine Herkunft war keine vornehme, jeden
falls war seine Familie arm * 2 ). Doch scheint sein Vater nicht
ohne Bildung gewesen zu sein, da er den Dichter Tansillo,
dessen persönlichem Einfluss Bruno seine frühzeitige Neigung
zur Poesie zuschreibt und den er in den „Dialoghi degli
J ) Vergl. Brunnhofer, ,.Giord. Bruno’s Weltanschauung und Ver
hängnis.“ Leipzig 1882. Nachträge p. 322.
2 ) Vergl. Fiorentio, „La fanciullezza di G. Bruno“ (Giornale
Napoletano della Domencia 29 j. 1882).