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Genau genommen war er für Bruno, wie für jeden, der
die (Jnentbelirliclikeit seiner Annahme für die Lösung der
gewichtigsten, metaphysischen, ethischen, kulturgeschichtlichen,
psychologischen und physiologischen Probleme erkannt hat, kein
blosser Glaube mehr, sondern wissenschaftliche Überzeugung.
Die durch den Darwinismus mächtig angeregte Wissenschaft der
Biologie wird vielleicht noch dieser Überzeugung durch phy
siologische, psychologische und selbst kosmische Beweisgründe
zur allgemeinen Anerkennung verhelfen. Die Entwickelungs
geschichte der Gattung bleibt unverständlich, wenn sie nicht
zugleich als Entwicklungsgeschichte der Individuen begriffen
wird; denn die Gattung als solche ist ein wesen
loser Name, und anstatt zu sagen: das Individuum
stirbt, die Gattung ist ewig, sollte man gerade
durch den Darwinismus belehrt, sagen: die Gattung,
d. h. die zeitweilige biologische Dasei nsfor m d e s
Individuums stirbt, das I n d i v i d u u m selbst, a 1 s
übersinnlicher Träger der Gattung, ist ewig.
Diese Entwicklungslehre ist auch das Fundament der
Brunonischen Ethik. Das Individuum, d. h. sein übersinnlicher
Wesenskern, die Monade, ist selbst verantwortlich für ihr Dasein
und Thun und Leiden; während gerade die Gottheit, — bei
der Freiheit und Notwendigkeit eins sind und die nicht etwa,
wie Leibnitz lehrt, aus unendlich vielen Weltvorstellungen
eine beliebige ausgewählt und verwirklicht hat, — der Wahl
freiheit überhoben ist, so ist doch dem endlichen Individuum
die Wahlfreiheit nicht abzusprechen. 1 ) Jedes Individuum ist
sein eigenes Entwicklungsprodukt; es wird nicht für, sondern
durch seine eigenen Handlungen bestraft oder belohnt." Diese
innerliche Gerechtigkeit bedarf des äusserlichen Himmels und der
äusserlichen Hölle nicht, wenngleich auch die jeweiligen Daseins
umstände dem vorzeitlichen Verdienste jedes Einzelnen ent
sprechen. Ewige Höllenstrafe, ewige Verdammnis mag ein gutes
Drohmittel für den boshaften Pöbel sein, mit der Güte Gottes
und der Wandelbarkeit aller Zustände sind sie unvereinbar. 2 )
b Bruno, ,,De Immenso“ III, c. 1.
b Bruno, ..Begli lieroici furori“, Argumento, W. II. p. 309.