Wol aber giebt es ein ewiges Gewissen, ein unzerreiss-
bares Band, das jede Monade mit ihrem göttlichen Ursprung
und Endziel verknüpft und sie mit schmerzhafter Spannung
daran erinnert, wenn sie sich davon zu entfernen strebt.
„Dieser Schmerz ist der Stachel der Reue, welche deshalb
mit Recht unter die Tugenden versetzt wird. Die Reue gleicht
dem Schwan unter den Vögeln, er wagt es nicht emporzufliegen.
weil das Bewusstsein der Erniedrigung ihn niederdrückt. Darum
wendet er sich von der Erde weg und sucht das Wasser auf,
welches die Thräne der Zerknirschung ist, darin er sich zu
reinigen sucht und sich badet, um der lichten Unschuld gleich
zu werden. In Erinnerung an ihr erhabenes Erbteil bei sich
selber einkehrend, kommt die Seele allmählich dazu, dass sie
dem Schlechten entsagt, ihr Gefieder wächst von neuem und
sie fliegt empor, erwärmt sich an der Sonne Licht und entbrennt
in Liebe für das Göttliche; so wird sie selber ätherisch und
verwandelt sich wieder in ihr ursprüngliches Wesen. Mag die
Reue zum Vater den Irrtum und zur Mutter die Sünde haben,
sie selber nenn’ ich die Purpurrose, die spitzigen Dornen ent-
spriesst, einen lichten Funken, der aus hartem Kiesel geschlagen,
zur verwandten Sonne hinanstrebt.“ *)
Die Seele, welche den höchsten sittlichen Entwicklungs
grad auf diesem Planeten erreicht hat, wird vielleicht auf
anderen besseren Welten ihren Entwicklungsgang fortsetzen:
in diesem Glauben stellen Bruno’s Sonette vielfach denselben
Gedanken dar, welchen ihm Hölderlin, dieser seinem Geiste so
nah verwandte deutsche Dichter in seinem Hymnus an das
Schicksal also nachgesungen:
„Im heiligsten der Stürme falle
Zusammen meine Kerkerwand
Und herrlicher und freier walle
Mein Geist in’s unbekannte Land!
Hier blutet oft der Adler Schwinge,
Auch drüben warte Kampf und Schmerz!
Bis an der Sonnen letzte ringe,
Genährt vom Siege, dieses Herz!
') Bruno, „Spaccio“, W. II. p. 189. Seite 198, 199 oben.
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