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Charaktereigentümlichkeit gemäss, die sie vertritt. Wenn Ihr
ernste und alberne Vorschläge vernehmet, so bedenkt, dass sie
alle gleichmässig wert sind, nicht durch gewöhnliche Brillen
gläser betrachtet zu werden. Zum Schluss haltet daran fest,
dass hier nichts anderes dar gestellt wird, als die
Zahl und Reihenfolge der Gegenstände moralischer
Betrachtung, zusammen mit den Grundprinzipien
einer solchen Philosophie, wie Ihr sie innerlich
in der Darstellung pulsieren sehen könnt.
Übrigens mag davon jeder soviel Früchte mitnehmen, als
er vermag bei der Fassung seines mitgebrachten Fruchtkorbes;
ist doch nichts so schlecht, dass es nicht zu Nutz und Frommen
gereichen könnte für den Guten, und nichts so gut und erhaben,
dass es nicht zur Gelegenheit und zum Gegenstand des Ärger
nisses dienen könnte für den Schlechten.
Also möge man alles andere in diesem Buche, wovon sich
keine wertvolle Frucht für die Bildung pflücken lässt, nur als
zweifelhaft, verdächtig und fragwürdig hinstellen und meine
Endabsicht nur darin suchen, die Disposition und den Index
der Methode, den Stammbaum, den Schau- und Wahlplatz der
Tugenden und Laster abzustecken; erst später werden wir
uns an die ernstliche Aufgabe des Untersuchens, Prüfens, Be-
lehrens machen und entschiedene Stellung zu den ethi
schen Problemen nehmen, in anderen der Zukunft vor
behaltenen Dialogen, darin wir das vollständige Gebäude unserer
Moral-Philosophie zu vollenden und unsere Grundsätze in einer
mehr entscheidenden Fassung zu entwickeln gedenken. 1 )
Wir haben hier also einen Zeus, den wir keinenfalls für
einen hinreichend legitimen und kompetenten Stellvertreter des
höchsten Prinzips und der universellen Ursache genommen
haben wollen, sondern für ein selbst veränderliches, dem Fatum
der Wandelbarkeit unterworfenes Wesen. * 2 ) Denn er weiss, dass
*) Vielleicht, dass Bruno hier seine später geschriebenen Dialoge
„Degli heroici furori" meint; vielleicht aber auch, dass er ein anderes nicht
vollendetes, oder wenn vollendet, in den Archiven des Vatikan mit seinen
sonstigen Manuskripten vergrabenes, mehr systematisch angelegtes Werk
über Ethik im Auge hatte.
2 ) Der Zeus dieser Dialoge repräsentiert natürlich nicht den Gott
der brunonischen Philosophie. Dieser ist das oberste Princip, die univer-