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Zeus weiss, dass es nicht wahrscheinlich, ja nicht möglich
ist, wenn die sinnliche Materie, zusammengesetzt, teilbar,
bearbeitbar, dehnbar, bildsam, beweglich und widerstandsfähig
unter der Herrschaft, Leitung und Kraft der Seele, unzer
störbar, in ihren letzten Punkten und Atomen unvernichtbar
ist — dass da im Gegenteil die weit erhabenere Natur,
welche jene beherrscht, regiert, bewegt, ernährt, mit Gefühl
erfüllt, aufrecht hält und zusammenhält, von geringerer Dauer
3. Der individualistische Monismus, der ebenfalls ihre substantielle
Existenz behauptet, dieselbe aber als identisch setzt mit derjenigen des
Körpers, oder um sich hier gleich richtiger auszudrücken, des Leibes,
als des gestalteten Körpers, der Körperform.
Letzterer Monismus entspricht der Seelenlehre Bruno’s. Diese mo
nistische Auffassung scheint übrigens begrifflich am meisten der ersten
unbefangenen Vorstellungsform der Menschheit zu entsprechen; sie findet
sich in der Form der Vorstellung in jeder Volksmetaphysik; sämtliche
Naturvölker stellen sich die Seele vor als etwas reelles, leiblich gestal
tetes, als ein Schema oder einen Schemen des sinnlichen Leibes, keines
wegs als ein abstraktes, unsinnliches und völlig unfassbares, nirgendwo
und nirgendwann vorhandenes Gedankenunding.
Das erste Besinnen des philosophierenden Geistes führt nun mit
Notwendigkeit von dieser sinnlichen Vorstellung zur Abstraktion, welche
sich zunächst als spiritualistischer Dualismus vollzieht. Von diesem wird
das Wesen der Seele in scharfem Gegensätze zum Körper gedacht als
raumlose, lediglich wollende und denkende Substanz.
Soviel sich nun auch der spiritualistische Denker auf diese Ab
straktion zu Gute thun und so sehr er die sinnliche Vorstellungsform
einer körperlichen Seele belächeln mag — sobald er sich aus der Höhe
der begrifflichen Allgemeinheit zur Erklärung konkreter Phänomene herab
lassen will, sieht er sich doch einem Haufen rätselhafter Widersprüche
und Fragen gegenüber gestellt, die schliesslich alle aus dem einen
Grundproblem hervortreten, ..wie ist es möglich, dass ein raumloses un-
stoffliches Wiesen auf einen stofflichen, räumlichen Körper wirke und um
gekehrt von ihm leide!“
Die wunderlichen Hypothesen, die der Spiritualismus in vergeb
lichem Bemühen,, dieses Problem zu lösen oder zu umgehen, ersinnt
(Occasionalismus, prästabilierte' Harmonie, Zwischenglieder, wie Ner
vengeist, Angriffspunkte wie Zirbeldrüse u. s. w.), müssen alsbald den
respektablen wissenschaftlichen Waffen des Materialismus unterliegen.
Aber auch letzterer erweist sich als Scheinwahrheit, wenn man ihn
unter das Brennglas einer im Bade der Empirie neu gestärkten philoso
phischen Spekulation bringt; da löst auch er sich in Dunst und Nebel
auf, und die Wissenschaft kehrt zu der in der Volks-Psychologie instinktiv
vorgeahnten Synthesis der beiden einseitigen Auffassungen zurück mit der
begrifflichen Konzeption des individualistischen Monismus.
Dieser gibt dem Materialismus Recht, sofern dieser sämtliche
seelische Thätigkeiten (des normalen Seelenlebens), vor allem auch
das bewusste Denken und Wollen für Funktionen leiblicher Organe, der
Nerven und des Gehirns erklärt; — aber indem er die Seele nicht auf
die bewussten psychischen Thätigkeitsformen beschränkt, wie der ein
seitige Spiritualismus, sie vielmehr tiefer erfasst als das organisie-
Kuhlenbeck, Giordano Bruno. o