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Leibe erbeben, sowohl vor Staunen, wie vor Furcht und Ehr
furcht , welche Empfindungen die Majestät in der Brust der
Sterblichen und Unsterblichen erregt, sobald sie sich darstellt.
Nachdem er nun die Augenlider etwas gesenkt und dann die
Pupillen etwas nach oben gerichtet und aus seiner Brust einen
tiefen Seufzer hervorgepresst hatte, hub er folgende Ansprache an :
„Erwartet nicht, o Götter, dass ich nach meiner
sonstigen Gewohnheit Euch in die Ohren donnern werde
mit einem künftigen Prooemio, einer wohlgedrechselten
Ausführung und einem darangeleimten schmuckvollen
Epilog. Spitzt Euch nicht auf ein zierliches Gewebe von
Worten mit eingestickten Sentenzen und auf einen Apparat
von eleganten Beweisen und einen verschwenderischen
Aufzug von ausgearbeiteten Perioden und Gedanken, die
nach den Lehren der Redner dreimal unter die Feile
gebracht sind, ehe sie einmal auf die Zunge kommen.
„Non hoc non ista sibi tempus spectacula poscit!“ Glaubt
mir, o Götter — es ist die reine Wahrheit — schon
zwölfmal hat die keusche Lucina *) ihre silbernen Hörner
gefüllt, seit ich bei mir beschlossen habe, diese Ver
sammlung zu berufen zu dieser Stunde und mit dieser
Förmlichkeit, die Bir seht, und dabei habe ich mich viel
zu sehr mit der Betrachtung dessen beschäftigt, was ich
zu unserm Unglück werde verschweigen müssen, als dass
mir Zeit geblieben wäre, zum voraus über das nachzu
denken, was ich sagen muss.
Ich höre, dass Ihr Euch darüber wundert, dass ich
Euch zu dieser Zeit von Euren Vergnügungen abrufen und
unmittelbar nach dem Mittagessen plötzlich eine Rats
versammlung ansetze. Ich merke, dass Ihr darüber murrt,
dass Euch an einem Festtage das Herz mit ernsten Dingen
erfüllt werden soll, und niemand ist unter Euch, den der
Ruf der Trompete und die Verkündigung des Herolds nicht
aufgeregt hätte. Aber ich will, obgleich der Grund dieser
Handlung und diese Wahl der Umstände allein von meiner
Willkür abhängt, die dies eben hat anordnen können, und
b Die Lichtgöttin des Mondes.