I. Physikalische und physiologische Grundlagen 5
neuerer Zeit der Begriff einer von der Materie unabhängigen sogenannten
Strahlungstemperatur eingeführt worden ist.
Die Wärme der verschiedenen Körper steht ständig untereinander in
Wechselbeziehung. Jeder Körper teilt jedem anderen Wärme mit und emp
fängt Wärme von ihm, sei es unmittelbar oder mittelbar, gleichgültig, ob sie
wenige Millimeter oder viele Billionen von Kilometern voneinander entfernt
sind. Dieser gegenseitige Wärmeaustausch kann auf drei verschiedene Arten
erfolgen, die häufig gleichzeitig wirksam sind: durch Leitung, durch Kon
vektion und durch Strahlung. Es mögen diese drei Arten der Wärmeüber
tragung kurz an drei bekannten Beispielen erläutert werden. Ein erhitztes
Stück Eisen werde auf ein Stück Eisen von gewöhnlicher Zimmertemperatur
gelegt. Nach kurzer Zeit wird sich ersteres so weit abgekühlt haben, daß
man es nunmehr anfassen kann, dafür ist das kühlere Eisen merklich wär
mer geworden. Hier ist der Übergang der Wärme vom einen zum anderen
Körper wesentlich durch direkte Leitung erfolgt. Man erhitze den oberen
Teil eines mit Wasser gefüllten Reagenzglases durch eine Spiritus- oder
Bunsenflamme. Der obere Teil des Wassers wird bald ins Sieden geraten,
während der untere Teil kühl bleibt und erst nach langer Zeit merklich
wärmer wird. Hier erfolgt der Wärmeübergang wiederum durch Leitung;
da aber Wasser im Gegensätze zu Eisen ein sehr schlechter Wärmeleiter
ist, so ist der Wärmeaustausch ein sehr langsamer. Erhitzt man aber den
unteren Teil des Glases, so kommt in sehr kurzer Zeit die ganze Wasser
masse ins Sieden. In diesem Falle werden die unteren Wasserschichten
zuerst erwärmt, sie werden hierdurch leichter, steigen in Strömen in die Höhe
und bewirken durch ihre Vermischung mit den kälteren zu Boden sinkenden
Teilchen, daß die ganze Wassermasse immer von nahe der gleichen Tem
peratur ist. Das ist die Mitteilung der Wärme durch Konvektion. Die
Wärmeübermittlung durch Strahlung empfinden wir sehr deutlich, wenn wir
uns von der Sonne bescheinen lassen. Es genügt dabei das Dazwischen
stellen eines Metallschirmes von Bruchteilen eines Millimeters Dicke, um
diese Strahlung fast vollständig abzufangen.
Man kann nun die Experimente anstellen, wie man will, stets wird man
die Erfahrung machen, daß bei dem wechselseitigen Austausch der Wärme
auf den drei verschiedenen Wegen die Temperatur des wärmeren Körpers
sinkt, diejenige des kälteren steigt, bis Temperaturgleichheit eingetreten ist.
Es kommt niemals vor, daß der ursprünglich kühlere Körper nachher eine
höhere Temperatur besitzt, als der ursprünglich wärmere Körper erreicht hat.
Es ergibt sich hieraus ein höchst wichtiges Naturgesetz, das als der zweite
Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie bezeichnet wird; es kann nie
mals die Temperatur eines wärmeren Körpers durch einen kühleren Körper
vermehrt werden. Das Ende aller gegenseitigen Wärmemitteilungen ist die
Herstellung einer gleichen Temperatur für alle in Betracht kommenden Kör
per: das schließliche Ende des Weltalls ist ein Zustand, bei dem die ganze
Materie die gleiche Temperatur besitzt.
Ein weiteres, für alle physikalischen Betrachtungen wichtiges Grundgesetz
ist dasjenige von der Erhaltung der Energie. In einem abgeschlossenen
System von Körpern ist die Summe aller Kräfte eine unveränderliche, kon
stante Größe, wobei unter Kraft sowohl äußere Kräfte, die durch mechanische