V. Die Sonne
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Mitchell ausgeführt worden, u. zw. in dem Teil von A 7200 bis A 4900. Hier
nach beträgt die Zahl der veränderten Eisenlinien 31% der vorhandenen,
die Umkehrung ist bei 23% beobachtet worden. Von den Vanadiumlinien,
die im Spektrum der Sonne sehr schwach, in demjenigen der Flecken dagegen
sehr hervorragend sind, erscheinen 80% verändert, und von diesen sind wieder
44% als umgekehrte beobachtet worden. Von den Linien des Kalziums sind
besonders die sehr starken Linien H und K, nahe an der Grenze des Violett
gelegen, stets umgekehrt; auf diese Linien werden wir bei Gelegenheit des
Fackelspektrums noch näher zurückkommen.
Eine sehr wichtige Entdeckung ist Hale an den Sonnenfleckenspektren
gelungen. Er fand, daß die Linien einiger Elemente, insbesondere von Eisen
und Titan, in den Sonnenflecken teils doppelt, teils dreifach erscheinen
können, und zwar zweifach in der Mitte der Sonne, dreifach am Rande.
Nimmt man an, daß in den Wirbeln, die wiederholt in den Flecken be
obachtet worden sind (Abb. 142), die Gase elektrisch geladen sind, so ist eine
Erklärung unmittelbar durch den ZEEMANeffekt (S. 79) gegeben. In der
Mitte der Sonne ist dann die Sehrichtung parallel zu den Kraftlinien des
entstandenen magnetischen Feldes, am Rande senkrecht dazu, und dement
sprechend erfolgt die Teilung der Linien in Dublets bzw. Triplets. Eine Ent
scheidung darüber, ob ein ZEEMANeffekt vorliegt oder nicht, läßt sich durch
eine Untersuchung der Polarisation der Linien treffen. Nach den entsprechen
den Beobachtungen Hales unterliegt es heute keinem Zweifel, daß wenig
stens ein großer Teil der in den Flecken beobachteten Linienverdoppelungen
tatsächlich dem ZEEMANeffekt, also magnetischen Kraftfeldern zuzuschrei
ben ist.
Während des letzten Fleckenminimums, also etwa Mitte 1911 bis 1913
— das Maximum ist hierzu wegen der zahlreichen Störungen ungeeignet —
hat Hale auch den Nachweis eines magnetischen Feldes für die ganze
Sonne zu erbringen versucht, wie es scheint, mit positivem Erfolge. Die Be
obachtungen geschahen mit Hilfe eines großen in den 50 m hohen Turm
des Mt. Wilsonobservatoriums eingebauten senkrechten Fernrohrs von nahe
20 m Brennweite. Das Sonnenbild, das dabei etwa 17 cm im Durchmesser
hat, wurde mit Hilfe eines Spektrographen mit eingebautem MiCHELSONSchen
Gitter untersucht. Das Spektrum hatte eine solche Länge, daß die beiden
D-Linien um 29 mm getrennt lagen. Trotz dieser Dispersion machte sich
der ZEEMANeffekt nur durch die Verwaschenheit einiger Linien bemerkbar,
so daß das normale magnetische Feld der Sonne jedenfalls nicht bedeutend
sein kann. Zu dem gleichen Ergebnis haben auch die Arbeiten des Astro-
physikalischen Observatoriums in Meudon geführt.
Von besonderem Interesse sind die Verschiebungen und Verzerrungen
von Linien im Fleckenspektrum, da sie nach dem DoppLERSchen Prinzip Auf
schluß über die Bewegungsgeschwindigkeiten der betreffenden Gasmassen
im Visionsradius geben. Gewöhnlich sind nur einzelne Linien, besonders
diejenigen des Wasserstoffs, davon berührt; es sind jedoch schon Verschie
bungen der gesamten Linien beobachtet worden (Abb. 132). Nach den
Untersuchungen von Hale sind übrigens solche auf- oder absteigenden Be
wegungen in den Sonnenflecken selten und auch dann im allgemeinen ver
schwindend klein.