V. Die Sonne
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146. Beobachtung einer
Protuberanz bei geöffnetem
Spalt.
Dispersion besitzen. Schon aus diesem Grunde sind Gitterspektroskope emp
fehlenswerter als solche mit Prismensystemen.
Bei der Beobachtung ist es praktisch, den Spalt nicht senkrecht zum
Sonnenrande zu stellen, sondern tangential, weil sonst das helle Spektrum
der Sonne leicht alles überstrahlt. Die Be
obachtung kann natürlich in jeder Spek
trallinie erfolgen, die hell erscheint; aber
für die Praxis kommen doch nur wenige
Linien in Frage. Bei visueller Beobach
tung empfiehlt sich als geeignetste Linie
die rote Linie Ha des Wasserstoffs, da
sie sehr hell ist, sich gut vom Unter
gründe abhebt und auch die besten Bil
der der Protuberanzen gibt; die Schärfe
der übrigen Wasserstofflinien nimmt immer
mehr ab, je weiter sie nach dem Violett
zu liegen; daher sind die blauen und vio
letten Linien des Wasserstoffs wenig zu photographischen Aufnahmen ge
eignet. Diese können entweder in einem gewöhnlichen Spektrographen
erfolgen oder aber in sehr viel besserer Weise mittels des Spektrohelio-
graphen, wobei gleichzeitig sämtliche Protuberanzen des Sonnenrandes auf
genommen werden. Verwendet werden dabei
meist die Linien Ha des Wasserstoffs sowie
H und K des Kalziums. Eine sehr deutliche
Anschauung davon, wie eine Protuberanz inner
halb der dunklen H- und Zf-Linien bei stärker
geöffnetem Spalt erscheint, gibt Abb. 147.
Die Protuberanzen sind außerordentlich ver
änderliche Gebilde; man kann ihr Entstehen
und Vergehen häufig innerhalb weniger Stunden verfolgen. Sie treten in
den verschiedensten Formen auf, von einfachen schwebenden Wolken bis
zu explosionsartigen Erscheinungen. Man hat versucht, sie nach ihren For
men in verschiedene Klassen einzuteilen, doch hat dies wesentlich nur den
Zweck einer besseren Übersicht und Darstellung.
Am einfachsten ist es, sie in zwei Klassen zu trennen, die sich durch
ihr Spektrum und damit auch durch ihren Ursprung oder wenigstens die
Intensität ihres Ursprungs unterscheiden. Die erste Klasse bilden die wolken
artigen Protuberanzen, die nur Erhebungen der Chromosphäre darstellen,
und die wie jene nur aus Wasserstoff, Helium und Kalzium bestehen. Die
zweite Klasse sind die eruptiven Protuberanzen, deren erzeugende Ursache
so tief liegt oder so intensiv ist, daß auch andere Elemente mit empor
gehoben werden. Sie unterscheiden sich von den Wolkenprotuberanzen da
durch, daß sie niemals besonders große Höhen erreichen; ihre Farbe bei
Finsternissen ist weiß, weil sie Linien aller Spektralfarben enthalten, wäh
rend die Wolkenprotuberanzen rotviolett erscheinen, wegen der überwiegen
den Intensität der roten Ha- und der blauen und violetten Hß-, H- und K-
Linien.
Die Protuberanzen können an allen Teilen des Sonnenrandes erscheinen,
Scheiner-Graff, Astrophysik. 3. Aufl. 14
Abb. 147. Protuberanz innerhalb
der Kalziumabsorptionen H u. K
des Sonnenspektrums. (Nach Haie.)