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B. Die Ergebnisse der astrophysikalischen Forschung
soll sich durch den Einfluß des Saturn im Jahre 271 von den Leoniden los
gelöst und bei späteren Zusammenkünften von diesen neue Nahrung er
halten haben. Abgesehen von ihrer Unwahrscheinlichkeit spricht gegen die
Theorie die beträchtliche Unregelmäßigkeit der Sonnenfleckenperiode (S. 185),
die mit einer Bahnbewegung ohne weitere willkürliche Hypothesen unver
einbar ist.
Die WiLSiNGSche Erklärung stützt sich auf eine von Darwin ausgeführte
und zur Entwicklungsgeschichte der Erde benutzte Untersuchung, nach der
Massenverschiebungen innerhalb eines rotierenden Flüssigkeits- oder Gas
balles, sofern sie nicht vollständig symmetrisch zur Rotationsachse stattfinden,
bewirken, daß die momentane Rotationsachse nicht mehr genau mit der Sym
metrieachse, d. h. mit der kleinen Achse eines Rotationsellipsoids zusammen
fällt. Die bewegliche Masse strebt allerdings, diese Störung auszugleichen und
einen Gleichgewichtszustand herzustellen, in welchem wiederum beide Ach
sen zusammenfallen; allein die innere Reibung setzt der Bewegung einen
Widerstand entgegen, welcher die Ausgleichung verzögert und das Anwach
sen der Gleichgewichtsstörung bis zu einem bestimmten Betrage ermöglicht.
Eine, wenn auch sehr langsame Massenverschiebung könnte in der Sonne
durch ihre allmähliche Zusammenziehung und Verdichtung stattfinden. Diese
wird eine zunehmende Abweichung der Rotationsachse von der Symmetrie
achse verursachen, die so lange anhält, bis die innere Reibung den auf die
Herstellung des ursprünglichen Zustandes gerichteten Kräften nicht mehr
Widerstand zu leisten vermag. So wäre eine periodische Veränderung im
Zustande des Sonneninnern denkbar, deren äußere Reaktionen wesentlich
durch die Sonnenflecken und die Protuberanzen sichtbar werden könnten.
Die WiLSiNGSche Theorie kann natürlich nicht erklären, wie der einzelne
Sonnenfleck oder eine Protuberanz zur Bildung gelangt;, sie kann nur zeigen,
daß zu gewissen Zeiten und an bevorzugten Stellen eine mehr oder weni
ger starke Disposition zur Fleckenbildung vorhanden ist.
Auf die zahlreichen anderen Theorien, die in dieser Frage durch Helm-
holtz, Emden, Wilczynski u. a. aufgestellt worden sind, kann hier nicht
näher eingegangen werden, dagegen sollen noch einige Ansichten, die sich
auf die eigentliche Atmosphäre der Sonne beziehen, also denjenigen Teil
derselben, der sich oberhalb der Photosphäre befindet und nur am Sonnen
rande wahrgenommen werden kann, kurz behandelt werden. Die ähnlich
wie die Flecken periodisch veränderliche Korona ist hierbei im weiteren
Sinne als Atmosphäre einbegriffen.
Koronatheorien. Bei Gelegenheit der Besprechung von Resultaten, die
auf spektroskopischem Wege bei totalen Sonnenfinsternissen erhalten wor
den sind, hat Jewell seine Ansichten dahin zusammengefaßt, daß die
spektroskopischen Erscheinungen der umkehrenden Schicht, der Chromo-
sphäre und der Korona nur dann verständlich werden, wenn man annimmt,
daß die Menge des Stoffes, der alle diese Erscheinungen hervorbringt, außer
ordentlich gering ist. Wenn die ganze Stoffmenge, welche die meisten
sonnenlinien erzeugt, zu einer Schicht von 1 cm Dicke kondensiert würde,
So würde dieselbe nach Jewell keine größere Dichtigkeit besitzen als die
Metalldämpfe im elektrischen Bogen, wenn dieselben nur als Verunreini
gungen auftreten. Wenn man dies in Rücksicht zieht, so ist es ganz absurd,