V. Die Sonne 237
die Sonne vielleicht schon einmal das jetzige spektrale Stadium (G) als ein
gelber Riesenstern von gleicher Temperatur, aber geringerer Dichte erlebt hat.
Als kürzeste Periode von Schwankungen der Sonnentemperatur, die nicht
mit der Rotationsdauer Zusammenhängen, könnte nur die elfjährige Periode
der Sonnenflecken in Frage kommen. Die Photosphäre sendet an der Stelle
eines Sonnenflecks eine geringere optische Strahlung aus, als anderwärts.
Jedenfalls muß in einem Sonnenfleck auch die Wärmeausstrahlung gegen
über derjenigen der Photosphäre eher geringer als größer sein, und es er
scheint daher am wahrscheinlichsten, daß bei Vorhandensein von Flecken
auf der uns zugewandten Seite die Sonnenstrahlung geringer ist als zu an
deren Zeiten. Ob dies wirklich der Fall ist, läßt sich theoretisch nicht über
sehen. Gewöhnlich pflegt ja die Umgebung eines Flecks oder eine Flecken
gruppe viel dichter mit Fackeln besetzt zu sein als andere Stellen der Photo
sphäre, und die von diesen Gebilden ausgehende, zweifellos stärkere Strahlung
kann möglicherweise den von den Flecken kommenden Defekt ersetzen oder
sogar übertrumpfen.
Die statistischen Untersuchungen über den Zusammenhang speziell der
elfjährigen Periode der Sonnenfleckenhäufigkeit mit meteorologischen Vor
gängen sind außerordentlich zahlreich. Hier ist jedoch einer gewissen Willkür
ein weiter Spielraum gegeben, und es können leicht zwei Bearbeiter des
gleichen Materials zu entgegengesetzten Resultaten gelangen. Nach alledem
ist es durchaus verständlich, daß die sämtlichen bisherigen Untersuchungen
über den Zusammenhang der Sonnenfleckenperiode mit meteorologischen
Daten zu keinem bestimmten Resultate geführt haben. Zweifellos günstigere
Aussichten in dieser Beziehung bieten die fortlaufenden amerikanischen Unter
suchungen über die Beständigkeit der Solarkonstante; diese unterliegt ver
mutlich ohne besondere Beeinflussung durch die Flecken Schwankungen, die
immerhin so beträchtlich sind, daß sie auf die meteorologischen Erschei
nungen auf der Erde einigen Einfluß haben könnten. Irgendein positives
Ergebnis liegt aber auch hier noch keineswegs vor.
Es kann noch die Frage aufgeworfen werden, ob nicht wesentlich längere
Perioden der Sonnentemperatur vorhanden sind, auf die geologische Ergeb
nisse anwendbar wären. Ohne jeden Zweifel ist die mittlere Temperatur
der Erde während der einzelnen geologischen Perioden, ja selbst innerhalb
derselben, stark veränderlich gewesen. Hier hat Dubois zum ersten Male
den Versuch gemacht, die Schwankungen in der mittleren Temperatur ge
wisser Erdgebiete, wie sie z. B. durch die Eiszeiten angedeutet sind, auf
Schwankungen der Sonnentemperatur zurückzuführen.
Um die Vergletscherung eines Landes herbeizuführen, ist das Auftreten
besonders tiefer Wintertemperaturen nicht erforderlich. Abgesehen von loka
len Einflüssen und der Menge der Niederschläge ist hierzu nur notwendig,
daß die mittlere Temperatur während langer Zeiträume bei 0° liegt. Nun
beträgt zur Zeit die mittlere Temperatur Europas etwa 10°; nähme sie also
um rund 10° ab, so würde eine neue Eiszeit für diesen Weltteil eintreten.
Eine solche Abnahme entspräche einer Verminderung der Sonnenstrahlung
um % ihres Betrages. Nach dem Stefan sehen Gesetze entspricht aber
dieser Strahlungsänderung eine Temperaturänderung von nur 3°/ 0 , bei dem
wahrscheinlichsten Werte der effektiven Sonnentemperatur von 6000° also