VI. Die Planeten, Monde und Kometen
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gemeinen wegen der schon hervorgehobenen Schwierigkeiten nur zwischen
den Phasenwinkeln 50° und 120° beobachtet werden können. Beim Phasen
winkel 180° ist er zuweilen als dunkle Scheibe vor der Sonnenscheibe (Mer-
kurdurchgang) zu sehen. Phasenwinkel außerhalb der Grenzen 50° und 120 0,
sind nur bei totalen Sonnenfinsternissen erreichbar; so konnte z. B. bei der
Finsternis vom 28. Mai 1900 Merkur bei einem Phasenwinkel von 6.8° photo
metrisch an die Venus angeschlossen werden.
Wenn man die Helligkeit Merkurs auf seine mittlere Entfernung von
der Sonne und auf die mittlere Entfernung 1 von der Erde reduziert, so
läßt sich nach Müller der Einfluß der Phase durch die folgende sehr ein
fache Formel darstellen, in der h die Helligkeit in Größenklassen im Harvard
system und a den Phasenwinkel bezeichnet
h = — 1.10 m + 0.0368 (a - 50°).
Dieser Formel schließt sich auch die unter dem Phasenwinkel von 6.8° erhal
tene Beobachtung gut an.
In der folgenden Tabelle ist die beobachtete Helligkeit des Merkur nach
den Phasenwinkeln mit den nach den Theorien von Lambert und See-
liger berechneten Helligkeitswerten zusammengestellt, sowie die beobach
teten und auf die gleiche
Helligkeit reduzierten ent
sprechenden Zahlen für den
Mond.
Wie man sieht, stimmt
keiner der theoretisch erhal
tenen Werte mit den beobach
teten überein; es geht daraus
hervor, daß auf Merkur die
Oberflächenverhältnisse nicht
entfernt den Voraussetzungen der Theorie entsprechen. Dagegen ist eine
sehr befriedigende Übereinstimmung zwischen den beobachteten Hellig
keitswerten von Merkur und Mond vorhanden, und hieraus läßt sich der
sehr wichtige Schluß ziehen, daß zwischen der Oberflächenbeschaffenheit
dieser beiden Himmelskörper eine gewisse Ähnlichkeit bestehen muß. Ins
besondere ergibt sich, daß eine etwaige Atmosphäre auf Merkur nicht sehr
dicht sein kann, weil sonst größere Differenzen auftreten müßten. Von be
sonderer Wichtigkeit in Verbindung hiermit ist auch der geringe mit dem
Erdmonde übereinstimmende Wert der sphärischen Albedo (S. 97) des
Merkur, die sich zu 0.1 ergibt; das Licht wird also bei Merkur von einer
dunklen, rauhen Oberfläche, ähnlich wie beim Monde, zurückgeworfen.
Als das Gesamtergebnis aller bisherigen Untersuchungen läßt sich somit
nur feststellen, daß die Oberfläche des Merkur fest ist und im wesentlichen
aus ziemlich dunklen Stoffen besteht. Der Planet scheint eine schwache Atmo
sphäre zu besitzen, die etwas Wasserdampf enthält, aber jedenfalls nur ge
ringe Kondensationen erzeugt. Die Sonnenstrahlung, die dort 6mal so stark
ist als auf der Erde, wird daher durch die Atmosphäre wenig behindert, da
gegen von der Oberfläche stark absorbiert, so daß eine sehr beträchtliche
Erhitzung derselben stattfinden muß. Unter den uns näherstehenden Hirn
cc
h (beob.)
Lambert
Seeliger
Mond
50°
— 0.90 m
— 0.90 m
— 0.90 m
— 0.90 m
60
-0.61
- 0.73
- 0.76
— 0.63
70
— 0.29
— 0.54
— 0.60
-0.32
80
+ 0.04
— 0.30
— 0.42
+ 0.03
90
-P 0.40
— 0.03
— 0.22
+ 0.43
100
+ 0.77
+ 0.29
+ 0.01
+ 0.87
110
+ 1.17
+ 0.68
+ 0.29
+ 1.36
120
+ 1.59
+ 1.13
+ 0.61
+ 1.90