Full text: Astrophysik

VI. Die Planeten, Monde und Kometen 
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mittlerer Phase mehrfach unscharf gesehen worden, indem merkliche Hellig 
keit bis ziemlich weit auf den nicht direkt beleuchteten Teil der Venusscheibe 
hinübergriff. Vor allem beweisend ist aber die bei Gelegenheit der Venus- 
vorübergänge vor der Sonne gemachte Beobachtung, daß die dunkle Venus 
scheibe kurz vor dem Eintritt mit einem hellen Saume umgeben erscheint, 
wie dies nur infolge von Lichtbre 
chung in einer Atmosphäre der Fall 
sein kann, ferner die Tatsache, daß 
bei unteren Konjunktionen die Hör 
nerspitzen der dünnen Sichel den 
Venusrand um mehr als 180° um 
fassen (Abb. 165); man hat hieraus 
sogar die Refraktion in der Venus 
atmosphäre zu berechnen versucht, 
die sich als nahe doppelt so stark 
als auf der Erde ergeben hat. 
Der Mangel an einigermaßen 
deutlichen und konstanten Flecken 
macht es wahrscheinlich, daß wir 
die eigentliche Oberfläche des Pla 
neten Venus gar nicht sehen, son 
dern daß dieselbe durch eine die 
ganze Kugel umgebende dichte Wolkenhülle verdeckt ist. Zur völligen Ge 
wißheit wird diese Vermutung durch die photometrischen Beobachtungen, 
die eine außerordentlich hohe Albedo, nämlich rund 0.7, ergeben haben. Es 
ist das ein Wert, der demjenigen hell erleuchteter Wolken wenig nachsteht. 
Noch eine besondere und bisher nicht genügend erklärte Erscheinung 
hat der Planet Venus geboten. In der Nähe der unteren Kpnjunktion, wenn 
also die erhellte Sichel sehr schmal ist, hat man bei Tagesbeobachtungen 
auch den dunklen Teil der Venusoberfläche erhellt gesehen, in ähnlicher 
Weise, wie dies bei unserem Monde in der entsprechenden Stellung der Fall 
ist. Während es sich bei letzterem um die Beleuchtung der dunklen Mond 
oberfläche durch die nahe voll erleuchtete Erde handelt, ist diese Erklärung 
für die Venus nicht sehr wahrscheinlich, obgleich sie mehrfach herangezogen 
worden ist. F. W. Very hat aus dem Erdlicht im Monde die Erdalbedo ab 
geleitet und findet sie nahe derjenigen des Jupiter. Hieraus folgt, daß von 
der Venus aus gesehen die Erde im günstigsten Falle die Helligkeit — 6.5 m , 
der Mond — 2.0 m hat. Das Gesamtlicht dieses Doppelsterns entspricht etwa 
dem Lichte der Mondsichel drei Tage nach Neumond, ist also sicher nicht 
intensiv genug, um bei Tageslicht im Widerschein an der Wolkendecke der 
Venus wahrnehmbar zu sein. 
Da die Erscheinung nicht regelmäßig auftritt, ist auch schon an eine op 
tische Täuschung gedacht worden, vielleicht liegt aber die Wahrheit in der Mitte. 
Das aschfarbene Licht ist nur bei sehr kleiner Phase beobachtet worden, d. h. 
also dann, wenn die Beleuchtung der Rückseite bis nahe an den jenseitigen 
dunklen Rand reicht. Durch die vorhandene starke Atmosphäre kann sich 
das Licht z. T. bis über diesen Rand ausbreiten, so daß der ganze Umriß er 
leuchtet erscheint; diese Beleuchtung wird sich nicht weit in die dunkle 
Abb. 165. Venus in unterer Konjunktion 
(April 1921).
	        
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