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B. Die Ergebnisse der astrophysikalischen Forschung
eine ziemlich beträchtliche sei, und diese Vermutung schien durch die ersten
stereoskopischen Mondaufnahmen Rutherfurds in überraschender Weise
bestätigt zu werden. Im Stereoskop erschien nämlich der Mond sehr stark,
wohl um das Doppelte seines Durchmessers, auf den Beobachter zu verlän
gert. Diese ganze Erscheinung hat aber nichts Reelles; sie ist weiter nichts
als ein stark übertriebener stereoskopischer Effekt, den man bei irdischen
Objekten in der gleichen Weise erhalten kann, wenn die beiden Aufnahmen
in größerer Distanz, als der Augenweite entspricht, erhalten worden sind.
Neuere sorgfältige Messungen an
Mondphotographien haben ergeben,
daß die Verlängerung des Mondes
nur ein halbes Tausendstel seines
Durchmessers (etwa 2 km) beträgt,
sich also der direkten Wahrnehmung
vollständig entzieht und auch für
den Mond selbst in physischer Be
ziehung ohne Bedeutung ist. Eine
Abplattung des Mondes ist nicht
nachzuweisen und ist auch nicht von
merklichem Betrage zu erwarten, da
ja zur Zeit der Erstarrung die Rota
tionsgeschwindigkeit bereits sehr ge
ring war.
Daß der Mond keine Atmosphäre
besitzt, deren Dichtigkeit auch nur
annähernd mit derjenigen unserer
Erde zu vergleichen wäre, lehrt bereits die einfache Betrachtung. Alle Ge
bilde der Oberfläche erscheinen stets klar und scharf mit tief dunklen, fast
schwarzen Schatten. Von Lichtabnahme nach dem Rande zu und von Däm
merungserscheinungen ist keine Spur zu bemerken, und niemals ist mit
Sicherheit eine auch nur vorübergehende Trübung wahrgenommen worden.
Den besten Beweis gegen das Vorhandensein einer merklichen Atmosphäre
liefert die Beobachtung von Sternbedeckungen durch den Mond. Die Sterne
verschwinden und erscheinen am Rande ganz plötzlich und unvermittelt,
und eine scheinbare Ortsveränderung dicht am Rande, wie sie durch die
Refraktionswirkung einer Atmosphäre auftreten müßte, hat sich trotz schärf
ster Messungen nicht feststellen lassen. Es ist auf Grund derartiger Mes
sungen erwiesen, daß eine Atmosphäre, deren Dichte auch nur V 2000 der uns-
rigen betrüge, auf dem Monde nicht existiert. Daraus folgt weiter, daß auch
Wasser nicht auf dem Monde sein kann, selbst nicht in der Form von Eis,
weil bei dem Mangel des Luftdrucks eine sehr heftige Verdunstung des
selben eintreten würde. Da trotz aller dieser Bedenken von einigen Beobach
tern immer wieder auf meteorologische Erscheinungen auf dem Monde zu
rückgegriffen wird, wäre es nützlich, wenn einmal einige den dunklen Mond
rand im Norden und Süden streifende Sterne zum Zwecke einer Absorptions
bestimmung photometrisch, am besten lichtelektrisch, durchbeobachtet würden.
Wegen seiner geringeren Masse und Größe ist die Abkühlung des Mon
des sehr viel früher erfolgt als bei der Erde, und somit ist der Mond, ob
Abb. 166. Vollmondaufnahme von Rutherfurd.