VI. Die Planeten, Monde und Kometen
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um den Hauptkörper beschreiben. Eine wesentliche Stütze erhält diese An
nahme durch den Umstand, daß der innere und äußere Teil des Ringes
durchscheinend ist, ferner durch die Lage der Ringtrennungen, die sich ge
rade da befinden, wo die periodischen Störungen der kleinen Monde durch
die großen Trabanten ein Maximum erreichen, so daß diejenigen Körperchen,
deren Bahn zufällig in diesen Entfernungen liegt, sehr rasch in andere Bahnen
gelenkt werden.
Besteht nun der Ring aus solchen kleinen Teilchen, so muß die Berech
nung der reflektierten Helligkeit unter Berücksichtigung der Beleuchtung der
einzelnen Körper erfolgen, was eine
schwierige und umständliche Arbeit dar
stellt. Diese Aufgabe ist von Seeliger
gelöst worden; sie führt schließlich zu
einer sehr einfachen Form, die unab
hängig von dem zugrunde gelegten Be
leuchtungsgesetze ist und durch den S. 287
erwähnten empirischen Ausdruck von
Müller vollkommen dargestellt wird.
Besonders interessante spektrographi-
sche Beobachtungen an Saturn haben es
ermöglicht, die Rotationsgeschwindig
keiten der verschiedenen Teile des
Ringes und der Kugel zu bestimmen.
Stellt man den Spalt des Spektrographen parallel zur Äquatorrichtung,
so muß eine Linie des Saturnspektrums, soweit sie der Kugel entspricht,
wegen der Rotation schräg stehen, nämlich am Westrande nach Rot, am Ost
rande nach Violett verschoben sein (Abb. 183). Das gleiche gilt vom Ring, falls
dieser an der Rotation teilnimmt. Wäre er starr, so würden die äußeren
Teile eine größere lineare Geschwindigkeit besitzen, und die äußeren Enden
müßten am stärksten verschoben sein. Beschreiben aber die einzelnen Teile
des Ringes unabhängige Bahnen, so müssen nach dem III. Kepler sehen Ge
setz die linearen Geschwindigkeiten und entsprechend die Linienverschie
bungen an den inneren Kanten am stärksten sein. Zu diesem Ergebnis
führen in der Tat in guter Übereinstimmung die spektrographischen Auf
nahmen von Keeler, Deslandres und Belopolski, womit neben der photo
metrischen Lösung (s. oben) der
sicherste Beweis für die Zu
sammensetzung der Saturn
ringe aus Einzelteilen gelie
fert ist. Die kleine nebenste
hende Tabelle veranschaulicht
das Mittel der beobachteten
und die von der Rechnung geforderten Zahlenwerte. Daraus geht hervor,
daß der innere Rand des Ringsystems in 7.5 h , der äußere in 13.8 h einen
vollständigen Umlauf vollenden.
Wenn noch ein Nachweis der meteorischen Ringkonstitution fehlte, so
ist er dadurch erbracht worden, daß um die Zeit, in der Sonne und Erde
sich auf verschiedenen Seiten der Ebene des Ringes befinden, dieser nicht
Scheiner-Graff, Astrophysik. 3. Aufl. 19
Teil des Saturn-
Bewegung in l s
Systems
Beob.
Berechn.
Äquator d. Saturn
9.7 km
10.3 km
RingB, innerer Rand
20.4 „
21.0 „
„ A, äußerer „
15.8 „
17.1 „
Abb. 183. Entstehung der Linienver
schiebungen (Dopplereffekt) im Spek
trum des Saturnsystems.