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VI. Die Planeten, Monde und Kometen
Wenn auch nach der Erforschung ihrer Bahnbewegung die Furcht all
mählich schwand, so blieb die Kometenerscheinung doch bis zum Anfang
des vorigen Jahrhunderts völlig rätselhaft. Allmählich, Schritt für Schritt,
reihten sich Erklärungen an Erklärungen, und heute kann das Kometenpro
blem in einigen wichtigen Teilen als geklärt gelten; manches ist auf Kräfte
bestimmter, gesetzmäßiger Wirksamkeit zurückgeführt, wenn auch das Wesen
dieser Kräfte noch nicht zweifelsfrei festgestellt ist.
Physische Beschaffenheit der Kometen. Ein sonnenferner Komet ist
im allgemeinen ein sehr unscheinbares Objekt; er erscheint als eine runde,
nach der Mitte verdichtete Nebelmasse, zuweilen mit einem helleren Kern,
meist jedoch ohne den letzteren, und von einem Schweife ist nichts zu be
merken. Erst mit der stärkeren Annäherung an die Sonne beginnt, freilich
nur bei großen Kometen, das Charakteristische des Phänomens. Es bildet
sich zunächst ein Kern aus, der zuweilen scheibenförmig, zuweilen fixstern
artig scharf ist; von diesem Kern entwickeln sich helle Strömungen, die den
Schweif bilden. Dieser kann recht vielgestaltig sein, faden- oder fächerförmig,
gerade, gekrümmt oder wellenförmig, ohne
Andeutung einer Struktur oder von zahl
losen Lichtfäden und Strähnen durchsetzt.
Schon eine flüchtige Beobachtung ge
nügt, um zu erkennen, daß der Schweif
eines Kometen in jedem Augenblick eine
Neubildung darstellt. Als Ausgangspunkt
ist der Kern zu betrachten, aus dem bei
gehöriger Annäherung an die Sonne Aus
strömungen erfolgen. Diese steigen eine
kurze Strecke in der Sonnenrichtung em
por, um dann umzubiegen, den Kern in
einem gewissen Abstand zu umfließen und
den von der Sonne weggerichteten, in der
Bahnebene liegenden Schweif zu bilden
(Abb. 190). Bei sehr hellen Kometen tritt
stets eine ausgesprochene Färbung auf, die
offenbar auch mit der Gestalt des Schweifes
zusammenhängt. Gleichmäßig gekrümmte
strukturlose Kometen mit großem planeten
artigem Kern sind auffallend gelb, Kometen
mit wellenförmigen, detailreichen Schwei
fen oft intensiv blau gefärbt. Besonders
auffallend kam der Unterschied im Oktober
1911 zur Geltung, als zwei helle Kometen
dieser beiden Typen, nämlich 1911 II
(Brooks) und 1911 III (Beljawski) gleich
zeitig am Abendhimmel standen.
Während die Struktur des Schweifes
auf photographischen Aufnahmen oft einen
kaum zu überblickenden Reichtum an Ein
zelheiten bietet (vgl. Tafel VI), kommt