I. Physikalische und physiologische Grundlagen 17
sind z. B. die beiden Brechungskoeffizienten im Grün 1.664 und 1.489; der
Unterschied ist also ein sehr beträchtlicher.
Aus der Existenz zweier verschiedener Brechungskoeffizienten in zwei
zueinander senkrechten Richtungen läßt sich nun leicht Voraussagen, daß
jeder Lichtstrahl, der auf die ebene Grenzfläche eines einachsigen Kristalls
fällt, sich in zwei Strahlen trennen muß, von denen jeder seinen besonderen
Weg geht. Man nennt daher diese Kristalle auch doppeltbrechende Kristalle.
Von den vielen möglichen Fällen der Wege der beiden abgelenkten
Strahlen möge hier nur der einfachste und in der Praxis am häufigsten ver
wendete gegeben werden. Dem Kristall wird parallel zur optischen Achse
eine Ebene angeschliffen; die Einfallsebene des Strahles liege rechtwinklig
zur optischen Achse. Dann teilt sich der Strahl in zwei Teile, deren jeder,
entsprechend dem ihm zugehörigen Brechungskoeffizienten, nach dem be
kannten Sinusgesetze weiter geht. Bei einer in dieser Weise geschliffenen
Platte treten die beiden Strahlen also unter verschiedenen Winkeln aus;
sieht man durch eine solche Platte hindurch, so erscheinen alle Gegenstände
doppelt.
Für unsere Betrachtungen ist es nun von besonderer Wichtigkeit, daß
die Trennung der beiden Strahlen beim Durchgänge durch einachsige Kri
stalle stets mit Polarisation der Strahlen verbunden ist. Beide Strahlen wer
den geradlinig polarisiert und zwar rechtwinklig zueinander, so daß diese
Kristalle ein sehr einfaches Mittel zur Herstellung polarisierten Lichtes ge
währen. Derjenige Strahl, dessen Schwingungen senkrecht zur optischen
Achse stehen, verfolgt seinen Weg stets nach dem gewöhnlichen Sinusge
setze und wird daher der ordentliche Strahl genannt; der andere, rechtwink
lig hierzu polarisierte tut dies nur in dem vorstehend angegebenen Spezial
falle, während er sonst aus der Einfallsebene heraustritt; er wird daher der
außerordentliche Strahl genannt. Hat der ordentliche Strahl das größere
Brechungsverhältnis, so bezeichnet man den betreffenden Kristall als nega
tiv, im anderen Falle als positiv. Zu den ersteren, den negativen, gehört der
Kalkspat, zu den positiven der Quarz.
Der Begriff der Strahlung dürfte nunmehr in seinem Wesen klargelegt
sein, ebenso wie die Vorgänge, die eintreten, wenn das, was uns von den
fernen Himmelskörpern als Strahlung erreicht, nach seiner langen Wande
rung durch den leeren Raum auf Materie trifft. Behufs ihrer weiteren Unter
suchung wird nun die Strahlung, über die in einem späteren, den spektral
analytischen Theorien gewidmeten Kapitel noch einiges zu sagen sein wird,
an besonderen Instrumenten, zu denen streng genommen auch unser Auge
gehört, zum Innehalten eines zwangsmäßigen Weges veranlaßt. Es soll die
Aufgabe der nächsten Kapitel sein, die Mittel, die zu dieser zwangsmäßigen
Führung der Strahlung dienen, in ihrer Allgemeinheit kennen zu lernen.
2. Die Grundlehren der Optik.
Die einfacheren optischen Vorgänge lassen sich, sofern man sich mit ge
näherten Resultaten begnügt, sehr bequem und verständlich durch die geo
metrische Betrachtung der Lichtstrahlen darstellen, nachdem dargelegt ist,
was man unter einem Lichtstrahl zu verstehen hat.
S ch ei n er-G raff, Astrophysik. 3. Aufl.
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