Full text: Astrophysik

VII. Die Fixsterne, Nebelflecke und Sternhaufen 363 
schiede genau ebenso einfach an einer linearen Skala messen kann, wie 
die Größenunterschiede mit dem Rauchglaskeil. Daß bei diesen Beobach 
tungen erst die Helligkeit des künstlichen Sternes auf die Helligkeit des ein 
gestellten Gestirns am Himmel gebracht werden muß, ist selbstverständlich. 
Da absolut neutrale Keile schwer zu beschaffen sind, wird man hierzu am 
zweckmäßigsten eine Polarisationsvorrichtung wie beim ZöLLNERphotometer 
verwenden. 
Die von Wilsing aus Messungen an 104 helleren Sternen erhaltenen 
Temperaturen haben die Brauchbarkeit der Methode vortrefflich dargetan. 
Auf einige besondere aus der Arbeit folgende Resultate ist bereits auf S. 348 
hingewiesen worden. 
Reduziert man die Ergebnisse der drei Potsdamer Arbeiten einheitlich 
auf die Strahlungskonstante 14350, so erhält man nach graphischer Aus 
gleichung und Anschluß an die Sonnentemperatur (Go = 5900°) die auf 
S. 362 stehenden Werte. Die in der Tabelle enthaltenen Zahlen stellen die 
zuverlässigsten absoluten Temperaturen dar, über die wir gegenwärtig ver 
fügen. Es muß wieder betont werden, daß die hier mitgeteilten Zahlenwerte 
sich auf die Strahlung der obersten Photosphärenschichten der Sterne be 
ziehen, in ihrem Verhältnisse daher wohl ein richtiges Bild der Temperatur 
der einzelnen Spektralklassen liefern mögen, absolut jedoch keine Schlüsse 
auf die wahre Temperatur des Sterninnern zulassen. 
Zweifellos sind die abgeleiteten Gradzahlen Minimalwerte. Sie reichen 
aber trotzdem aus, um die Reihenfolge der Spektralklassen im wesentlichen 
durch einen Temperaturgang zu erklären. Bei so hohen Werten, wie sie bei 
den Klassen B und A Vorkommen, wirken im wesentlichen absorbierend nur 
die leichten Gase wie Wasserstoff und Helium, während die Metallinien nur 
bei einigen in dieser Hinsicht sehr empfindlichen Elementen, wie z. B. Kal 
zium, unauffällig zur Geltung kommen. Bei den F-, G- und K-Sternen liegen 
Temperaturverhältnisse vor, wie sie auf der erkaltenden Sonne in Ver 
gangenheit, Gegenwart und Zukunft maßgebend waren, bzw. es sein wer 
den, während gar bei den M- und vermutlich erst recht bei den N- und 
R-Sternen bereits die Temperatur so weit gesunken ist, daß hier chemische 
Verbindungen wie Titanoxyd, Kohlenwasserstoffe, Cyan u. a. zustande kom 
men konnten. 
Abgesehen von diesen Überlegungen zeigen noch zwei andere Erschei 
nungen, daß die Hauptcharakteristik der Sterne die Temperatur und nicht 
die chemisch wahrscheinlich ziemlich gleichartige Zusammensetzung der 
einzelnen Individuen ist. 
Seit mehr als 100 Jahren ist bekannt, daß verschiedene Doppelsterne 
lebhafte Farben- und somit auch wesentliche spektrale Unterschiede zeigen, 
und ähnliches macht sich auch bei spektroskopischen Doppelsternen bemerk 
bar (S. 336). Bei ß Cygni, o 1 Cygni und y Andromedae bilden je ein K- und 
ein B- bzw. A-Stern, bei d Sagittae ein M- und ein A-Stern, bei a Scorpii gar 
ein M- und ein B-Stern ein gemeinsames System, und es wäre nicht einzu 
sehen, warum hier bei dem doch wahrscheinlich gemeinsamen Ursprung der 
beiden Körper der eine gerade die leichten Gase, der andere die Metalle in 
sich vereinigt haben sollte. Auch für derart verschiedene Temperaturen der 
Doppelsternkomponenten fehlt uns vorläufig noch eine Erklärung, doch unter
	        
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