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B. Die Ergebnisse der astrophysikalischen Forschung
Die Erklärung der Lichtkurven der ganzen Gruppe II, insbesondere der
Sterne, die in bezug auf die Lichtänderungen wenigstens ab und zu Wieder
holungen zeigen, ist nicht ganz einfach. Bei dem regelmäßigsten, U Gemi-
norum, fand Nijland, daß man durch Übereinanderlagerung von normalen
Lichtausbrüchen mit einer symmetrischen Verfinsterungskurve jedes zweite
Maximum darstellen könne, wobei allerdings die Ungleichmäßigkeit der Pe
riode mit in Kauf zu nehmen wäre. Für alle anderen Sterne des II. Typus
versagt die Erklärung wegen der weit größeren Unregelmäßigkeiten voll
kommen.
Dafür erscheint eine Deutung des absonderlichen Verhaltens der Unter
abteilung IIb, d. h. derjenigen Sterne, bei denen der Lichtwechsel nicht in
einem Aufleuchten, sondern in einem Helligkeitsabfall besteht, durchaus im
Bereich der Möglichkeit, nachdem es sich herausgestellt hat, daß die zahl
reichen, inmitten des Orionnebels stehenden schwachen Veränderlichen ( T ,
AI, AH Orionis u. a.) ähnliche, keiner Periode unterliegende Kurven zeigen.
Hier hat es nach den Bergedorfer Beobachtungen von 1920 und 1921 den
Anschein, als ob die vor oder um die Sterne flutende Nebelmaterie an der
zeitweiligen Lichtabnahme die Schuld trägt. Der Umstand, daß bei den
meisten dieser Sterne genau wie bei R Coronae ein maximaler Stillstand
gewissermaßen das Normalstadium kennzeichnet, spricht für die Vermutung;
dagegen ist zunächst der Hypothese die Tatsache nicht günstig, daß wir uns
die sichtbaren Gasnebel als im höchsten Verdünnungszustande befindliche
Materie vorzustellen haben, der man wohl erst bei sehr großer Tiefenaus
dehnung so beträchtliche Absorptionen zuschreiben darf. Die BARNARöschen
„Tintentropfen“ inmitten der hellsten Milchstraßengebiete (Abb. 252) lehren
jedoch, daß es dunkle Nebel- oder Staubwolken im Weltraum gibt, die sehr
wohl auch hellere Sterne bis zur völligen Unsichtbarkeit verdecken können.
Die Cepheiden. Die Veränderlichen vom d Cepheicharakter (Typus III)
zeichnen sich durch einen Lichtwechsel aus, der nach unseren bisherigen
Kenntnissen in der Mehrzahl der Fälle durch völlig ungestörte regelmäßige
Perioden dargestellt wird. Bei dem wichtigsten Stern der Gruppe, d Cephei,
ist z. B. erst in den letzten Jahren der Nachweis einer sehr geringen Perioden^
abnahme geglückt, obwohl die ersten Beobachtungen nahe 140 Jahre zurück
liegen.
Die mittleren Lichtkurven der Cepheiden haben alle mehr oder weniger
die in Abb. 228 bzw. 230 dargestellte Form, ohne Rücksicht darauf, ob die
Periode mehrere Tage oder einige Stunden umfaßt. Ihr Hauptkennzeichen
bildet der rasche Aufstieg und der langsamere, zuletzt kaum merkliche Ab
stieg zum Minimallicht, das dem Maximum unmittelbar vorausgeht. Die
etwas irreleitende Bezeichnung Antalgolsterne,
wie sie für die kurzperiodischen Cepheiden
vom Typus RR Lyrae eine Weile in Ge
brauch war, ist aufgegeben. Man faßt heute
diese letzte Unterabteilung (III b) zu einem
Sternhaufentypus zusammen, da er für sehr
zahlreiche Veränderliche in Sternhaufen, insbe
sondere in den kugelförmigen Gebilden die
ser Art, charakteristisch ist.
Abb. 228. Lichtkurve von ö Cephei.