VII. Die Fixsterne, Nebelflecke und Sternhaufen
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manches ist an ihnen bereits erforscht, und ihre große Zahl macht sie für
statistische Untersuchungen besonders geeignet. Trotz aller Bemühungen
ist es trotzdem vorläufig nicht gelungen, ihnen eine unbestrittene Stellung
im Universum anzuweisen. Ihre Haufenbildung am nördlichen Pol der Milch
straße, ihre völlige Abwesenheit in der galaktischen Ebene, die unvorstell
bar großen Radialgeschwindigkeiten und — in vollkommenem Gegensatz
zu ihrer milchstraßenfernen Lage an der Sphäre — ihr Reichtum an neu
erschienenen Sternen sowie manches andere deutet in Verbindung mit den
Spektralergebnissen darauf hin, daß wir es hier mit irgendwelchen seltsamen
überaus fernen Sondersystemen zu tun haben. Trotz mancher Bedenken,
die einer solchen Annahme bei strengerer Nachprüfung der Grundlagen auch
entgegentreten, ist doch die Ansicht, daß es sich dabei um ferne Milchstraßen
systeme handelt, diejenige, die gegenwärtig unter den Astronomen die
meisten Anhänger besitzt. Trifft aber diese Vermutung zu, so muß in um
gekehrter Folgerung auch unser Milchstraßensystem als ein Spiralnebel auf
gefaßt werden. Die Milchstraße stellt dann freilich sicher keinen so schönen
typischen, mit regelmäßigen Spiralen ausgestatteten Nebel dar, wie sie etwa
Tafel XII in nahe senkrechter Aufsicht veranschaulicht. Sehr wenige und
durchaus nicht besonders stark ausgeprägte Arme mögen das System kenn
zeichnen. Auch ein eigentlicher Kern ist nicht vorhanden, wenn man nicht
die hellsten Stellen der Milchstraße im Sagittarius oder unweit rj Argus als
eine solche Zentralkondensation auffaßt, aber immerhin könnte es wohl sein,
daß wir ein solches Gebilde in entsprechendem Abstande nach Gestalt und
Spektrum als einen echten Spiralnebel auffassen würden.
Easton, der als einer der ersten die Milchstraße mit den Spiralnebeln
auf die gleiche Stufe setzte, hat allerdings eine etwas andere Auffassung ver
treten. Er erblickt im Milchstraßensystem eine typische Spirale mit einer Kern
wolke, die er in das helle Gebiet zwischen ß und y Cygni verlegt. Diese
Gegend gehört aber zu denjenigen Stellen der Milchstraße, an denen die
Konzentration der Sterne innerhalb des örtlichen Sternhaufens überwiegt,
jedenfalls aber stärker hervortritt als die dahinterliegenden Wolken der
primären Milchstraße. Es liegt also kein Grund vor, gerade in dieser
Himmelsrichtung den Ausgangspunkt des hypothetischen Spiralnebels zu
suchen.
Die Hauptstütze für eine Einordnung der Spiralnebel und der Milch
straße in eine Klasse von koordinierten galaktischen Systemen darf wohl in
der großen Entfernung der Spiralnebel und ihrer durch die spektroskopischen
Ergebnisse gestützten Auffassung als Sternhaufen gesucht werden. Die Kon
sequenzen führen allerdings dabei zu derart unvorstellbaren Ziffern nach
Größe und Entfernung, daß man die Hypothese nicht ohne gewisse Beden
ken und Einschränkungen als gültig annehmen wird. Jede, auch noch so
unsichere Kontrolle ist hier nützlich und wertvoll. Man hat versucht, durch
Annahme einer gewissen absoluten Helligkeit für die in den Spiralnebeln
aufgetauchten Neuen Sterne Näherungswerte der Distanzen abzuleiten, und
hat dabei Entfernungen von Millionen von Lichtjahren ausgerechnet. Die
Grundlagen für ein derartiges Verfahren sind jedoch völlig unsicher, solange
wir nicht mindestens über eine sichere Parallaxe und eine absolute Größe
einer Nova verfügen, was aber bis jetzt nicht der Fall ist.