II. Die Spektralanalyse
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falls keine Schallempfindung mehr hervorzubringen. Zwischen diesen weit
auseinander liegenden Extremen liegt das reiche Gebiet der Töne. Kom
men Töne aller möglichen Wellenlängen zusammen, so entstehen un
musikalische, meist sehr unangenehme Schallempfindungen, die man als
Geräusch, Knall usw. bezeichnet.
Welches sind nun die entsprechenden Begriffe und Empfindungen beim
Lichte?
Wenn die kleinsten Teile eines Körpers, die Atome, durch die Wärme
in Schwingungen versetzt werden, so teilen sich die letzteren dem alles
durchdringenden Äther mit, durch den sie in den Raum fortgepflanzt werden
und, wenn sie unser Auge treffen, im Gehirn die Empfindung des Lichtes
hervorrufen. Diese Schwingungen bestehen aber nicht, wie beim Schalle, in
abwechselnder Verdichtung oder Verdünnung der Luft, sondern, wie wir ge
sehen haben, in einem Hin- und Herschwingen der Ätherteilchen, senkrecht
zur Fortpflanzungsrichtung des Lichtes, genau entsprechend der Bewegung
der Wasserteilchen bei den Wasserwellen (Abb. 1). Je stärker die Schwin
gungen sind, d. h. je höher der Wellenberg und je tiefer das Wellental ist,
um so intensiver ist die Lichtwirkung auf das Auge, um so heller erscheint
uns der lichtaussendende Körper. Der Tonempfindung bei den Schallwellen
entspricht die Farbenempfindung bei den Lichtwellen. Je schneller die Schwin
gungen erfolgen, oder, was wieder dasselbe ist, je kürzer die Wellen sind,
eine um so „höhere“ Farbe sehen wir, d. h. um so mehr nähert sich unsere
Lichtempfindung dem Violett, je länger die Wellen sind, um so mehr nähert
sie sich dem Rot.
Wie dem Ohre bei den Schallempfindungen sind auch dem Auge bei
den Lichtempfindungen Grenzen gesetzt. Lichtwellen oberhalb und unter
halb einer gewissen Länge äußern keine Wirkung mehr auf das Auge.
Gegenüber dem großen Intervall, welches beim Ohre zwischen den extremen
Schwingungen liegt, ist für das Auge dieses Intervall sehr klein, es umfaßt
kaum eine Oktave. Diese Oktave zwischen den Wellenlängen 0.8 und 0.4 /u
aber schließt alle Farbenempfindungen in sich ein, und zwar in der bekann
ten Reihenfolge der reinen Regenbogenfarben: Rot, Orange, Gelb, Grün,
Blau und Violett, mit den bekannten zahllosen Übergängen.
Sendet ein Körper Strahlen verschiedener Wellenlängen aus, so erhalten
wir Mischfarben, entsprechend den Akkorden der Musik. Je mehr verschie
dene Farben gemischt werden, um so einförmiger wird das Resultat, die Mi
schung nähert sich immer mehr einem reinen lichten Grau, bis schließlich
bei der Mischung der Strahlen von allen verschiedenen Wellenlängen das
reine Weiß entsteht. Weiß ist also für das Auge annähernd dasselbe wie
das Geräusch oder der Knall für das Ohr.
Bekanntlich können alle chemischen Elemente und auch viele ihrer Ver
bindungen in drei sogenannten Aggregatzuständen Vorkommen, dem festen,
dem flüssigen und dem dampfförmigen. Der Hauptfaktor, der den Aggre
gatzustand bedingt, ist die Temperatur, in dem Sinne, daß die meisten Stoffe
mit steigender Temperatur die drei Aggregatzustände in der eben ange
gebenen Reihenfolge passieren. Das einfachste und bekannteste Beispiel
hierfür bietet das Wasser. Bei einer Temperatur unterhalb 0° ist es als Eis
ein fester Körper, zwischen 0° und 100° als Wasser flüssig, oberhalb 100°