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A. Die astrophysikalischen Forschungsmethoden
Der Weg zum dritten Satze der Spektralanalyse ist nun ein etwas schwie
rigerer.
Körper, die nur in einer bestimmten Weise schwingen können, wie z. B.
Stimmgabeln, können zum Schwingen bzw. Tönen gebracht werden auch
ohne eine direkte mechanische Einwirkung durch Schlag oder Streichen mit
einem Bogen, nämlich durch Tonschwingungen selbst. Diese Erregung des
Tönens beruht auf dem Prinzip der Resonanz und tritt dann ein, wenn ein
Ton die Stimmgabel erreicht, der ihrer eigenen Schwingung genau entspricht.
Da nun zur Erregung von Schwingungen eine gewisse Kraft erforderlich
ist, die in diesem Falle aus den ankommenden Tonschwingungen genommen
wird, so büßen diese letzteren natürlich an Kraft ein, d. h. der die Schwin
gungen erzeugende Ton wird schwächer. Auch dieser für unsere Betrach
tungen so überaus wichtige Punkt läßt sich experimentell nachweisen.
Man denke sich zwei Räume durch eine unelastische Wand, z. B. eine
dicke Filzwand, getrennt, so daß Töne, die in dem einen Raume erzeugt
werden, in dem andern nicht gehört werden können. In dieser Wand be
finde sich eine Öffnung, die zum größten Teile durch eine dünne elastische
Metallzunge geschlossen ist, etwa nach Art der Zungen bei einer Harmonika.
Befindet man sich in der Nähe dieser Öffnung, so wird man die Töne im
Nebenraume ganz gut hören. Sobald aber der Ton angeschlagen wird, der
der Metallzunge entspricht, wird letztere sichtbar in Schwingungen geraten;
gleichzeitig wird der betreffende Ton merklich geschwächt, eventuell so
gar unhörbar, und in der Reihe der Töne wird daher gerade dieser Ton
fehlen, er ist gleichsam absorbiert. Würde man in der Öffnung mehrere
Zungen von verschiedener Tonhöhe anbringen, so würden gerade die ent
sprechenden Töne in der Tonreihe fehlen.
Dieses akustische Experiment läßt sich ohne weiteres auf die Lichtwellen
übertragen. Der Reihe der Töne entspricht das kontinuierliche Spektrum,
herrührend von irgendeinem glühenden festen oder flüssigen Körper. Der
Stimmgabel oder den Metallzungen entspricht ein glühendes Gas, das nur
einzelne bestimmte Lichtschwingungen aussendet, die im Spektroskop die
hellen Linien erzeugen. Das obige Experiment entspricht also der folgenden
Anordnung: Das von einem glühenden festen Körper ausgesandte weiße
Licht wird durch ein glühendes Gas geschickt und alsdann im Spektroskop
untersucht. Die meisten Lichtstrahlen der verschiedenen Schwingungsdauer
werden das Gas ungehindert passieren und ein kontinuierliches Spektrum
erzeugen; aber gerade die Lichtstrahlen, deren Schwingungen den Eigen
schwingungen der Gasmoleküle entsprechen, werden letztere anregen, dabei
selbst aber an ihrer Stärke Einbuße erleiden oder sogar gänzlich ausgelöscht
werden, mithin im Spektrum fehlen. Wo aber Licht fehlt, ist Dunkelheit; die
fehlenden Stellen im Spektrum erscheinen daher als dunkle Linien, die nun
genau an der Stelle sich befinden, an denen helle Linien aufgetreten wären,
wenn das Licht des glühenden Gases allein ins Spektroskop gelangt wäre.
Das Experiment mit den dunklen Linien gelingt aber nur so lange, als die
Temperatur des Gases niedriger ist als diejenige des glühenden festen Kör
pers. Wird die Temperatur des Gases höher, so geht seine Lichtaussendung
durchaus normal vor sich, im Spektroskop erblickt man daher ein kontinuier
liches Spektrum mit isolierten hellen Linien. Es ist klar, daß bei genau