II. Die Spektralanalyse
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Elemente sind oder komplizierte chemische Verbindungen. Die Aussage, daß
das Verhältnis E : A für alle Körper dasselbe sei, gilt aber nur, wenn man
dabei eine bestimmte Temperatur und eine bestimmte Wellenlänge im Auge
hat, es müßte also geschrieben werden £ (; i) : A^ t) . So ist es z. B. nicht ge
stattet, den KiRCHHOFFSchen Satz anzuwenden, wenn man die Emission eines
Körpers bei einer anderen Temperatur untersucht als seine Absorption. Eben
falls läßt er sich nicht ohne weiteres benutzen, wenn man z. B. die Emission
der roten Strahlen bestimmt hat, dagegen die Absorption nur für die grünen
Strahlen ermitteln konnte.
Wir wollen nun den Wert des Verhältnisses von Emission zu Absorption
ganz allgemein mit J bezeichnen. Wir wissen dann, daß bei allen Körpern
für irgendeine bestimmte Temperatur und Wellenlänge dieses J eine Kon
stante ist, nämlich p
Es ist also J ganz allgemein eine Funktion von Wellenlänge und Tempe
ratur oder J = f(h, t). Diese Funktion ist die KmcHHOFFSche Funktion ge
nannt worden; Kirchhoff hat aber die mathematische Form derselben noch
nicht erkannt und hat selbst bemerkt, daß erst nach Auffindung derselben die
Fruchtbarkeit der Spektralanalyse zur vollen Wirksamkeit kommen würde.
Erst vor etwa 20 Jahren ist die wahre Form der KiRCHHOFFSchen Funktion
durch Planck gefunden worden; wir wollen aber, der historischen Entwick
lung folgend, uns zunächst mit einigen bereits früher bekannten Eigen
schaften der Funktion beschäftigen.
Schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte der amerikanische
Physiker Draper das nach ihm benannte Gesetz gefunden, wonach alle
Körper bei derselben Temperatur von etwa 525° C zu leuchten beginnen.
Die Wellenlänge der Strahlung beträgt dann 0.8 und wir erhalten den
Eindruck des tiefsten Rot. Bei allen Körpern ist danach das Emissionsver
mögen E für die Wellenlängen < 0.8 /t gleich Null, also E : A = J = 0, d. h.
die KmcHHOFFSche Funktion ist von der angegebenen Grenze an, die einer
Temperatur von 525° entspricht, ebenfalls gleich Null. In Wirklichkeit liegen
die Dinge so, daß jeder feste oder flüssige Körper bei jeder Temperatur
Strahlen von allen Wellenlängen aussendet; bei niederen Temperaturen ist
aber die Strahlungsenergie der kürzeren Wellen so gering, daß sie prak
tisch auch den feinsten Meßinstrumenten nicht mehr zugänglich ist. Daher
kann das ÜRAPERSche Gesetz als eine brauchbare Annäherung an die Wahr
heit angesehen werden. Für die vorliegenden Betrachtungen ist es von
Interesse, daß die KmcHHOFFSche Funktion erst bei 0.8 merkliche Werte
annimmt und dann als Funktion der Temperatur kontinuierlich wächst.
Eine Funktion einer Größe kann man bekanntlich durch eine Kurve dar
stellen, und eine Funktion verläuft einfach, wenn diese Kurve keine auf
fallenden Knickungen hat. Die Erfahrung hat bisher gelehrt, daß alle in der
Natur vorkommenden Gesetze sehr einfach sind, wenn sie nicht von den
speziellen Eigenschaften der Körper abhängen, sondern ganz allgemein sind.
Als Beispiel braucht nur an das so überaus einfache Gravitationsgesetz er
innert zu werden. Um aber keinem Mißverständnisse ausgesetzt zu sein,
muß man hinzufügen, daß diese Einfachheit keine absolute zu sein braucht,