am besten hervortreten, wenn man es mit nur einem
Auge, in Horizonthöhe und der Bildmitte gegenüber
betrachtet. Nimmt der Beschauer auf diese Weise
den konstruktiven Augenstandpunkt ein, so ist aber
dabei auch nicht außer acht zu lassen, daß er den
selben Abstand vom Bilde einhält, als die konstruk
tive Augenentfernung beträgt; über diese ist im
späteren Abschnitte 6 des Werkes Ausführliches ver
merkt. Beschauen mit nur einem Auge wendet man
mit Vorteil beim Fertigstellen perspektivischer Bilder
an, weil so viel leichter beurteilt werden kann, ob
die Darstellung die gewünschte plastische Wirkung
und Vollendung erhalten hat oder nicht.
Dieses sogenannte Visieren oder Sehen mit nur
einem Auge ist auch besonders beim Studium nach
der Natur im Gebrauche, indem zur Richtung und
Abmessung perspektivischer Längen bei Raumgrößen
der Zeichenstift mit ausgestrecktem Arme senkrecht
oder wagerecht gehalten wird. Bei unveränderter
Kopfhaltung kann durch Markierung der perspek
tivischen Verkürzungen und Teilungen am Stifte
das richtige Abzeichnen der Natur wesentlich er
leichtert werden.
Im Vergleiche zum natürlichen Sehen weist die
Photographie die ähnlichsten Vorgänge auf, sie bietet
infolgedessen sehr wertvolle Aufschlüsse über per
spektivische Eigenarten. Die Fig. 28 erläutert den
Vorgang der perspektivischen Verkürzungen in der
Kamera im Vergleiche zum Sehen. An Stelle des
Auges tritt hier das photographische Objektiv, und
die Lichtstrahlen zeichnen in unglaublich kurzer
Zeit ein mit allen Feinheiten wiedergegebenes Ab
bild auf die lichtempfindliche Platte, die hier die
Netzhaut des Auges vertritt. Zur weiteren Ueber-
zeugung aus eigener Anschauung sei noch auf die
sogenannte Lochkamera hingewiesen, die als ein
fachste Art des Lichtbild-Perspektivzeichnens gilt.
Ein bedeutender Unterschied liegt nun in den
perspektivischen Bildern:
1. die die Lichtstrahlenbündel im menschlichen
Auge auf die Netzhaut werfen,
2. in denen, die die Lichtstrahlen durch die
photographisehe Linse auf die Gelatineplatte zau
bern und
3. solchen, die durch Perspektiv-Konstruktionen
auf der Zeichenfläche hergestellt werden.
Dieser Unterschied ist schon dadurch bedingt,
daß der menschliche Blick nicht starr auf einem
Flecke haften bleibt, wie beim photographischen Ob
jektive und der perspektivischen Augenrichtung.
Das Auge schweift lebhaft in unwillkürlicher steter
Bewegung umher und erfaßt die Objektbilder mit
Blitzesschnelle. Dies ist von der Natur so vorge
sehen, weil man bei einem starren, unbeweglichen
Blicke nur einen sehr kleinen Fleck wirklich scharf
zu sehen vermöchte und bei einem so geringen Ge
sichtskreise alle anderen Gegenstände der Umgebung
sehr undeutlich oder überhaupt nicht wahrzunehmen
wären.
Abschnitt 3.
Entwicklung der perspektivischen Lehrsälje aus dem Sehen unserer Augen.
eim Umherschweifen des Blickes ent
stehen auf der Netzhaut eine Menge
von Einzelbildern, deren Lichtstrah
len senkrecht zu diesen das Auge
treffen. Um das schematisch im
Sinne der Lichtstrahlenprojektion
zu veranschaulichen, entstehen auf
der Gesichtskreisfläche aneinander
gesetzte Bilder, deren mittlerer oder
Hauptlichtstrahl jedesmal auf der Bildmitte liegt,
sozusagen als Hauptblick in A. (Siehe vorstehende
Fig. 29.) Die Gesichtskreisfläche umfaßt dabei die
jenigen Punkte, auf denen der jeweilige Blick ruhen
wird, ohne das Auge auf weiter zurück- oder vor
liegende Objekte einzustellen.
In der Photographie fällt die Beweglichkeit des
Blickes fort, und es verbleibt im feststehenden Ob
jektive nur eine Aehnlichkeit mit dem Auge, die
Wölbung der Objektivlinse. Durch ihre noch stärker
konvexe Form werden möglichst viele Lichtstrahlen
bündel gefaßt; dadurch wird das Umherschweifen
des Blickes ersetzt und so ein weites Uebersichts-
feld geschaffen. An Stelle der Netzhaut, die eine
dem Gesichtskreise entsprechende Rundung aufweist,
tritt hier die gerade lichtempfindliche Platte, die
natürlich eine rein geometrische Perspektive wieder
gibt, mit einem sogenannten Augenrichtungspunkte,
der" genau auf der Bildmitte liegt. Die Fig. 30 zeigt
diesen Vorgang mit den Augenpunkten in A auf
der Gesichtskreisfläche als Bildebene.
Die Perspektivkonstruktion kennt nur, genau
wie beim photographischen Apparate, einen fest
stehenden Augenpunkt und den starren Blick. An
statt des Auges oder der Objektivlinse gilt hier ein
fester Punkt, der sog. Augenstandpunkt, von dem
aus der Blick, die Augenrichtung auf die Mitte der
Darstellungsobjekte gerichtet sein muß. Alle Licht
oder Sehstrahlen gehen von den Objektpunkten aus
zum Augenstandpunkte und durchschneiden die
Bildebene an bestimmten Stellen, in denen dann das
Perspektivbild entsteht, siehe Fig. 31.
Diese Bildebene wird bei der Perspektivpro
jektion stets gerade angenommen, weil aus prakti
schen Gründen das spätere fertige Bild auf gerader
Fläche erscheinen soll. Also auch hier ein erheb
licher Unterschied gegenüber dem Sehen und der
Photographie insofern, als beim Sehen die Netzhaut
das eigentliche Bild entstehen läßt, bei der Photo
graphie die Gelatineplatte, bei der Perspektive aber
eine Bildebene, die vor dem Augenstandpunkte liegt.
Abbildung VII zeigt diese drei Verschiedenheiten
schematisch; es sind deshalb in Fig. 31 die Seh
strahlen von den Objekten über den Augenstand
punkt hinaus bis zu einer kleineren Bildebene, die