Vorwort.
as perspektivische Zeichnen ist eine
Kunst, die erst in neuerer Zeit eine
allgemeinere Verbreitung gefunden
hat. Die Perspektivkunst wird heute
mehr wie bisher als Grundlage für
eine jede Kunstbildung angesehen und
fehlt daher niemals im Lehrplane
einer besseren Lehranstalt.
Eine weitere Ausbreitung ist aber auch dringend
geboten, da perspektivische Verzeichnungen bis jetzt
noch immer in erschreckend großer Zahl festzustellen
sind, trotzdem mit den gesteigerten Anforderungen
auf allen Gebieten der Kunst auch im perspekti
vischen Zeichnen ein gewichtiger Fortschritt gegen
früher gewiß nicht zu verkennen ist. Doch ist die
Kenntnis dieser Wissenschaft meist nur den tech
nisch gebildeten Ständen geläufig, das übrige ge
bildete Publikum kennt sie leider überhaupt nicht.
Für das perspektivische Zeichnen ist an über
lieferten Lehr- und anerkannt praktischen An
wendungsweisen eine sehr große Zahl und Mannig
faltigkeit vorhanden, da jede einzelne von ihnen
meist von ganz verschiedenartiger Auffassung ge
leitet ist. Da wird es nun gewiß nicht leicht, aus
dieser gewaltigen Auswahl von Lehrmethoden eine
als die beste zu bezeichnen, die möglichst nach
allen Richtungen hin genügt und sich den modernen
Anforderungen anschließt.
Während seiner langen Lehrtätigkeit ist der
Verfasser bei dem Studium der praktischen An
wendung der verschiedenen empfehlenswerten Per
spektiv-Konstruktionen und Verfahren zu der Ueber-
zeugung gelangt, daß eine Perspektivkonstruktion
dann die meisten Vorteile bietet, wenn sie möglichste
Zeitersparnis, eine weite Bewegungsfreiheit und
Zeichensicherheit in der unfehlbaren Richtigkeit der
Darstellung gewährleistet.
In dem vorliegenden Werke ist versucht worden,
diesen Forderungen gerecht zu werden. Das Werk
ist aus Studien gebildet, die, vornehmlich auf prak
tische Erfahrungen gegründet, als Anleitung zur
raschen Lösung der verschiedenartigsten, sowohl
einfachen als auch schwierigen Perspektivaufgaben
dienen sollen. Um die oben bezeichneten Vorzüge
einer Perspektivkonstruktion zu erreichen, wird eine
Zentralprojektion empfohlen, die im vorliegenden
Werke als eine
„Punktkonstruktion“
bezeichnet ist.
Diese besondere Benennung ist deshalb gewählt,
weil sie nach gewissen drei Regeln die Punkte
aller sichtbaren Teile eines darzustellenden Ob
jektes festlegt, dagegen alle unsichtbaren Punkt
darstellungen, überflüssigen Konstruktionslinien oder
Nebenkonstruktionen vermeidet, z. B. perspektivische
Grundrisse, wo solche nicht unbedingt nötig sind,
umständliche Seitenprojektionen, Grundlinien u. s. f.
Weil diese zentrale Punktkonstruktion nur der
allernotwendigsten Konstruktionslinien bedarf, und
selbst bei den zu diesen zu benutzenden Grund
rissen und Aufrissen keinerlei schwierigere Zeich
nungen, wie schräge Projektionen u. s. w. nötig
werden, beansprucht sie den geringsten Zeitaufwand
für das Zeichnen perspektivischer Bilder.
Diese einheitliche und kürzeste Projektionsweise
bietet uneingeschränkte Bewegungsfreiheit durch
die vollkommene Trennung der geometrischen Zeich
nungen von der perspektivischen Bildfläche, freie
Wahl des Augenstandpunktes und der Bildebene,
sowohl in der Lage zu den Objekten, als auch vor-
oder rückwärts von diesen. Die Höhenprojektion
erfolgt durch frei gewählte Fluchtrichtung.
Für eine objektiv richtige Bildauffassung ist
dadurch gesorgt, daß die Blickrichtung in der Kon
struktion stets auf die Mitte der Objekte gerichtet
wird und in Verbindung damit die Einhaltung eines
normalen Gesichtswinkels jede Bildverzerrung fast
zur Unmöglichkeit macht. Jene ganz bestimmten
einfachen Regeln der Konstruktion sind bei allen
perspektivischen Aufgaben anzuwenden; dabei ist
besonders eine leichte Ueberwindung aller Schwierig
keiten gesichert, da sämtliche Uebertragungen und
Projektionen nur vom Horizonte aus erfolgen.
Die unfehlbare Sicherheit für eine optisch
perspektivische Richtigkeit wird durch diese Zentral
projektion verbürgt, die keine besonderen Unter
schiede kennt, z. B. zwischen Frontal-, Diagonal- oder
Accidentalstellung. So bietet diese Punktkonstuktion
drei Haupt vor züge :
„Bedeutende Zeitersparnis, unbegrenzte
Verwendungsmöglichkeit und unbedingte
Sicherheit für die Herstellung perspekti
visch richtiger Darstellungen.“
Weil die Perspektive rein bildliche Wiedergaben
vermittelt, so ist auch die für ein vollendetes Ab
bild notwendige Darstellung von Licht und Schatten
in diesem Lehrbuche einer eingehenden Besprechung
unterzogen worden; dabei ist die Berechnung der
Schattierung dem technisch-linearen Teile in be
gleitender Form beigefügt.
Das vorliegende Werk ist besonders für den
Anschauungsunterricht bearbeitet und als Anleitung
sowohl für den Selbstunterricht, als auch für den
Unterricht an Lehranstalten bestimmt.
Professor Alvin L. C. Anger, Architekt.