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Das Projizieren von Körpern.
Die wichtigsten ebenflächigen Körper sind: die Prismen,
die Pyramiden, die Obelisken und die Krystallformen,
zu welchen auch die regulären Polyeder gerechnet werden
können.
Von den rein krumm flächigen Körpern heben wir zunächst
die Kugel und das Ellipsoid hervor. Diese sind auch
Umdrehungskörper.
Zu den gemischtflächigen Körpern gehören: die Cy-
linder, die Kegel, viele Umdrehungskörper und die
Körper mit windschiefen Flächen.
Da die gekrümmten Flächen gewöhnlich als Körper
oberflächen erscheinen, so können dieselben gleich hier mit
besprochen werden.
Die krummen Flächen sind nur dann einer wissenschaft
lichen Betrachtung zu unterziehen, wenn sie nach einem ge
wissen Gesetze gebildet sind. Von diesem Entstehungsgesetz
hängt die Natur der Fläche ab; dasselbe liefert die Mittel
zu ihrer Darstellung und Untersuchung.
Man kann sich durch bestimmt vorgeschriebene Be
wegungen von geraden oder krummen Linien krumme (unter
Umständen auch ebene) Flächen entstanden denken.
Unter Regelflächen versteht man alle diejenigen
Flächen, welche durch Bewegung einer Geraden hervorgebracht
werden. Jene Flächen, welche nur durch die Bewegung einer
krummen Linie entstehen können, heißen Kurvenflächen.
Umdrehungsflächen können sowohl Regelflächen als
Kurvenflächen sein.
Die Regelflächen unterscheiden sich wieder in ent
wickelbare und nicht entwickelbare Flächen, je nach
dem sie sich in eine Ebene ohne Riß oder Falte ausbreiten
lassen oder nicht. Zu den entwickelbaren Regelflächen ge
hören die Cy linder- und Kegel flächen; zu den nicht ent
wickelbaren die windschiefen Flächen. Umdrehungs
flächen können teils entwickelt, teils nicht entwickelt werden.
Man erhält nun die Projektionen eines Körpers, wenn
man von allen ihn begrenzenden Flächen, Linien und Punkten
die gleichnamigen Projektionen bestimmt. Auf jeder Tafel
entsteht dadurch ein begrenztes Stück derselben, in Form
einer ebenen Figur, als Projektion des Körpers.
Der Linienzug, welcher diese Figur umschließt, heißt
Umrißlinie oder Bildkontur. Jeder Punkt dieser Bild
kontur ist der Riß eines oder auch mehrerer Punkte der
Körperoberfläche. Tritt ersterer Fall ein, wie z. B. bei einer
Kugel, so nennt man den Linienzug auf der Körperoberfläche,
welcher als Projektion die Bildkontur liefert: die räum
liche Umrißlinie oder die Raumkontur. Dieselbe bildet
einen in sich geschlossenen Linienzug, der die Oberfläche
des Körpers umzieht.
Ist ein Körper durchlocht, so kann es auch mehrere
Umrißlinien geben, welche wieder als äußere und innere
unterschieden werden; zwischen diesen befindet sich alsdann
die Projektion des Körpers. Es ist sogar denkbar, daß in
einer Projektion das Bild des Körpers eine, in einer anderen
Projektion aber mehrere Umrißlinien zeigt. Auch können
mehrere innere Umrißlinien vorhanden sein.
Enthält aber die Bildkontur Punkte, welche von mehr
als einem Punkte der Oberfläche die Projektionen darstellen,
so läßt sich in diesem Falle nicht von einer räumlichen
Umrißlinie, wohl aber von einer Umrißfläche sprechen.
Zu jeder Tafel gehört selbstredend stets eine besondere Bild
kontur und eine besondere Raumkontur.
Denkt man sich den Körper aus unendlicher Ferne
betrachtet, so wird das dem Beschauer sich darbietende Bild
des Körpers gerade seine Projektion decken.
Ist der Körper undurchsichtig, wie wir immer annehmen
wollen, so werden Teile seiner Oberfläche dem Beschauer
sichtbar, andere unsichtbar sein. Wir werden die Pro
jektionen jener Kanten, welche sichtbar sind, mit ge
schlossenen Linien ausziehen, zum Unterschiede von den
unsichtbaren Kanten, welche strichpunktiert werden.
Es müssen in einer Zeichnung der darstellenden Geo
metrie auch nicht sichtbare Körperkanten eingetragen werden,
um einen deutlichen Begriff von der Gestalt des Körpers zu
bekommen und um diese Kanten zu allenfallsigen weiteren
Konstruktionen verwenden zu können.
Die Entscheidung über die Sichtbarkeit oder Unsicht
barkeit von Kanten muß für jede Tafel für sich getrennt
erfolgen, da ja die Stellung des Beobachters für jede Tafel
eine andere ist; man spricht daher immer von Sichtbarsein
oder Unsichtbarsein in Bezug auf eine bestimmte Tafel.
Jeder Punkt einer Projektion innerhalb der Bildkontur
ist der Riß von mindestens zwei Punkten der Körperober
fläche, von welchen nur der eine sichtbar sein kann, und
zwar wird derjenige, welcher den größeren Abstand von der
Tafel hat, sichtbar sein, jener mit dem kleineren Abstande
ist unsichtbar.
Der sichtbare Teil der Oberfläche eines Körpers wird
vom unsichtbaren Teile durch die Raumkontur getrennt;
somit ist für die Körperprojektion der Riß der Raumkontur
— die Bildkontur also — die Grenze zwischen den Projektionen
der sichtbaren und unsichtbaren Teile der Körperoberfläche.
Irgend ein geschlossener Linienzug, welcher über die Ober
fläche des Körpers hinläuft, wird daher projiziert teilweise
sichtbar, teilweise unsichtbar erscheinen, wenn er selbst die
Raumkontur schneidet.
Es können indessen auch innerhalb der Bildkontur
Grenzen von Sichtbarem und Unsichtbarem vorhanden sein,
wenn nämlich Körperteile über andere hinwegragen; solche
Grenzen bezeichnet man als virtuelle Umrisse.
Projiziert sich eine ebene oder krumme Fläche eines
Körpers als eine Linie, so wollen wir diese Fläche auch noch
als sichtbar ansehen.
Zur Erhöhung der Deutlichkeit der Darstellung ist es
üblich, Durchschnitte von Körpern zu zeichnen in der Weise,
daß man den Körper durch eine Ebene schneidet und sich
jenen Teil, welcher dem Beschauer zunächst ist, weggenommen
denkt, den übrig bleibenden aber zeichnet. Die Schnittfläche
wird schraffiert oder mit einer dem Material des Körpers
entsprechenden Farbe angelegt.
Breitet man sämtliche Begrenzungsflächen eines Körpers
in einer Ebene aus, so daß die einzelnen Stücke seiner
Oberfläche möglichst im Zusammenhang bleiben oder, mit
anderen Worten, wickelt man die Körperoberfläche ab, so
entsteht ein Netz des Körpers.
Dieses bietet, wenn die Zeichnung auf ein dünnes bieg
sames Material (Karton, Blech) übertragen wird und die
einzelnen Figuren des Netzes ausgeschnitten, umgebogen,
zusammengeklappt und in irgend einer Weise verbunden
werden, ein Mittel, sich ein Modell des Körpers zu ver-