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A r orwort.
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noch das Gebilde im Raume selbst vorhanden ist, während
in der Zeichnung der darstellenden Geometrie nur die
Projektionen erscheinen. Die parallelperspektivischen Bilder
lassen sich daher als A n s c h a u u n g s f i g u r e n, jene der darstel -
lenden Geometrie als Konstruktionsfiguren bezeichnen.
Allerdings sind als Hülfsmittel für die Vorstellung
wirklich vorhandene möglichst zahlreiche Modelle bei dem
Unterricht äußerst wünschenswert.
Verfasser beabsichtigt auch, Modelle zu den Figuren
des Atlasses aus Holz, Blech, Pappe u. dergl. herstellen
zu lassen, und können dieselben auf Wunsch zu mäßigem
Preise von ihm bezogen werden.
Es mag bei dieser Gelegenheit bemerkt werden, daß
ein System zur Erlernung der darstellenden Geometrie,
welches sich lediglich darauf beschränkt, vorhandene Mo
delle abzuzeichnen, wie man es ja zuweilen findet, als un
vollständig und deshalb ungeeignet erscheinen muß. Es
kann mit Vorteil dem Lernenden als einzelne Aufgabe
gestellt werden, einen gegebenen Körper zeichnerisch nach
den Grundsätzen der darstellenden Geometrie abzubilden.
Aber ausschließlich hieraus eine Methode für den Unter
richt in diesem Lehrfache machen zu w T ollen, ist verfehlt.
Die Hauptaufgabe des Technikers besteht doch wesentlich
darin, Entwürfe von noch nicht vorhandenen, erst später
herzustellenden Objekten anzufertigen, nach welchen die
Ausführung auf der Baustelle oder in der Werkstatt er
folgen kann. Seltener kommt es ihm vor, einen schon
bestehenden Gegenstand aufzunehmen. Es würde dem
nach eine Ausbildung nur nach oben erwähnter Richtung
hin als lückenhaft bezeichnet werden müssen; die Aus
bildung muß zum Entwerfen vorbereiten.
Die darstellende Geometrie ist eine rein theoretische
Wissenschaft, die die Ausbildung des VorstellungsVermögens
bezweckt, und welche ihre praktische Anwendung erst bei
dem Fachzeichnen findet. Es erscheint deshalb richtig,
bei ihrem Studium rein theoretische Aufgaben zu stellen
und diese zu lösen. Nach des Verfassers Meinung sollen
daher auch die sogenannten praktischen Anwendungen
der darstellenden Geometrie in das Fach zeichnen verwiesen
werden, wohin sie gehören, weshalb auch solche Aufgaben
hier unberücksichtigt geblieben sind.
Für die Bearbeitung der schwierigeren Gewölbe-,
Treppen- und Dachkonstruktionen, sowie für die Kon
struktionen des Maschinenbaues ist es notwendig, daß der
Konstrukteur sich vorher sehr eingehend mit darstellender
Geometrie beschäftigt habe, und daß sein räumliches Vor
stellungsvermögen ausgebildet sei. Es muß deshalb in der
darstellenden Geometrie sehr viel gezeichnet und geübt
werden, und damit dies in einer verhältnismäßig kurzen
Zeit geschehen kann, muß der Lehrstoff in sehr zweck
mäßiger Weise vorbereitet sein.
Um nun die darstellende Geometrie wirklich richtig
betreiben, alle vorkommenden Fälle erklären, alle gestellten
Aufgaben lösen zu können und dabei von der besonderen
Lage der gegebenen Stücke unabhängig zu sein, muß man
mit einem vollständigen Tafelsystem, aus positiven und
negativen Tafeln bestehend, und einer Raumeinteilung
in vier Quadranten arbeiten. Erfahrungsgemäß verursacht
aber diese Betrachtungsweise vielen Anfängern die größten
Schwierigkeiten und schreckt Manche ganz ab. Mit Rück
sicht hierauf wurde das Werk in zwei Teile zerlegt und
ein Lehrgang gewählt der Art, daß im I. Teil nur solche
Aufgaben in der sorgfältigsten Weise ausgewählt und auf
genommen wrnrden, welche mit Zugrundlegung zweier ein
seitig begrenzten Tafeln und nur einem Konstruktionsraume
gelöst werden können. Sind diese Anfangsschwierigkeiten
überwunden, hat sich der Lernende mit dem Wesen der
darstellenden Geometrie vertraut gemacht, so wird es ihm
leichter w r erden, sich an das vervollständigte Tafelsystem
zu gewöhnen, zu welchem im II. Teile dieses Werkes über
gegangen wird.
Wesentlich neu im vorliegenden Werke ist die Ein
führung von Maßen in die Vorlagen für darstellende Geo
metrie, und glaubt'Verfasser hierauf den größten Wert
seiner Arbeit legen zu dürfen.
Will der Lehrer einer größeren Anzahl von Schülern
eine gemeinschaftliche Aufgabe geben und diese besprechen,
so erscheint es erforderlich, die Angaben hierzu nach
Zahlen (hier Millimeter) zu machen. Wollte er den
Schülern selbst die Annahme des Gegebenen überlassen,
so fielen ihre Zeichnungen ganz verschieden aus, bei
Manchen vielleicht so, daß die Aufgabe unmöglich oder
nur schwer ausführbar ist; Anderen fällt das aufzufindende
Resultat über den Rand des Zeichnenpapiers, auf dessen
Größe man bei dem konstruktiven Zeichnen doch stets
angewiesen ist, oder es entsteht etwas ganz Anderes, als
das, was der Lehrer besprechen will. Seine Erklärung
paßt also gar nicht für diesen Fall.
Giebt er aber seine Angaben nach Zahlen, so gestalten
sich die Zeichnungen aller Schüler ganz gleichmäßig. Der
Lehrer erkennt bei der Durchsicht der Blätter auf den
ersten Blick die Richtigkeit oder an dem abweichenden
Ergebnis die Unrichtigkeit der Konstruktion, ohne daß er
nötig hätte, bei jedem einzelnen Schüler dieselbe Punkt
für Punkt zu verfolgen, wozu ihm auch in der Regel die
erforderliche Zeit fehlt.
Durch diese Einrichtung ist auch bei dem Einzel
unterricht der großen Gefahr begegnet, welche bei dem
Gebrauche sonstiger fertigen Vorlagen eintreten kann, darin
bestehend, daß der Schüler Anfang und Ende einer Kon
struktion, Gegebenes und Gesuchtes verwechselt. Durch
die eingeschriebenen Maße hebt sich das Gegebene deut
lich und zweifellos hervor.
Diese Einrichtung erleichtert auch, einzelne Figuren
den Blättern zu entnehmen und sie in einem größeren
Maßstabe zu zeichnen. Zur erhöhten Bequemlichkeit sind
hierfür die Maße alle möglichst abgerundet gewählt. Auch
sind die Winkelgrößen bequem für die Zeichnenwerkzeuge
angenommen, ohne daß hierdurch die Allgemeinheit der
gestellten Aufgabe beeinträchtigt wäre.