Full text: Populäre astronomische Encyclopädie

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Durchgang durch die Sonnenscheibe. 
erhält. Für die Durchgänge des Planeten Merkur findet dies keines 
wegs statt, wie man sich leicht überzeugen kann. Nimmt man näm 
lich wieder die Distanz der Erde von der Sonne zur Einheit, so be 
trägt für die Zeiten der Durchgänge der Abstand des Merkur von der 
Sonne 0,39, sein Abstand von der Erde 0,61. Nach der oben ange 
wandten Proportion wird daher 
cd = X ab — 0,64 ab. 
0,61 
Maxi würde also nur einen Bruchtheil der Parallaxe erhalten und 
aus diesem Bruchtheile auf das Ganze schliessen müssen, wobei jeder 
begangene Fehler (und keine Bestimmung ist absolut genau) in dem 
nämlichen Yei'hältnisse mit vergrössert würde. Bei der hohen Ausbil 
dung der Photographie, welche es ermöglicht, während der Zeit eines 
Durchganges eine grosse Menge von Stellungen des Planeten auf der 
Sonne zu fixiren und daraus ein sehr scharfes Resultat für die Grösse 
des Bogens, den er auf der Sonne durchläuft, abzuleiten, hat man in 
neuester Zeit vorgeschlagen auch die Mei-kurdui-chgänge zur Bestim 
mung der Sonnenparallaxe anzuwenden. Bis jetzt sind erst die zwei 
letzten Yenusdurchgänge 1761 und 1769 zur Parallaxenbestimmung 
benutzt worden. Besonders zu dem letzten Durchgänge hatte sich die 
astronomische Welt gerüstet. Die Regierungen aller gebildeten Staaten 
sandten Beobachter an die am vortheilhaftesten belegenen Orte; Cook, 
Green und Solan der gingen nach Otaliaiti, Chappe nach Califor- 
nien, Hell nach Lapland, Planmann nach Finnland u. s. w. Als 
Resultat aus allen zuverlässigen Beobachtungen ergiebt sich nach Po- 
walky’s Rechnungen eine Parallaxe von 8,86", entsprechend einer 
Entfernung der Erd- und Sonnenmittelpunkte von 20,009,000 geogr. 
Meilen. 
Im Ganzen ist die Genauigkeit der Beobachtungen der Venusdurch 
gänge weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben, welche man im 
Voraus davon hegte. Der Grund hieran liegt in gewissen unerwarteten 
Formveränderungen, welche die dunkle Venusscheibe bei der unmittel 
baren Berührung mit dem Sonnenrande erlitt. Als sie nämlich ganz 
in die Sonnenscheibe eingetreten war, trennte sie sich nicht sofort von 
dem Rande derselben, sondern blieb in länglicher Form gewissermassen 
dai-an kleben, bis die Verbindung plötzlich abriss und der Planet sofort 
mehr oder weniger tief in der Sonne stand. Diese Anomalien, welche 
den Moment der innern Berührung um mehr als 1 Minute unsicher 
machen können, sind gewiss nur scheinbare und in dem Baue des 
Fernrohres und des Auges begründet. Die letzten Merkurdurchgänge 
haben gezeigt, dass man jeixe störenden Phänomene wohl vermindern, 
aber nach dem Zustande unserer heutigen optischen Instrumente noch 
keiixeswegs ganz beseitigen kann. 
Der nächste Venusdurchgang wird, wie bereits oben mitgetheilt 
worden, am 8. December 1874 stattfinden. Schon jetzt bereitet man 
sich von Seiten der Astronomen ernstlich darauf vor, denselben mög 
lichst vorteilhaft zu beobachten. Eine neue Berechnung desselben hat
	        
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