Full text: Populäre astronomische Encyclopädie

Finsternisse. 
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Daumen eingedrückter Apfel aussah. Nun machten wir ununterbrochen 
Platten in Zwischenräumen von fünf und zehn Minuten bis zur Tota 
lität und von da ab wieder bis zur Trennung der beiden Gestirne. 
„Die Totalität kommt in sechs Minuten,” rief Prof. Watson 
und wir wiederholten es für unsere Freunde im Dunkelzelt. Die Plat 
ten kamen, die Totalität trat ein; sie dauerte zwei Minuten und acht 
undvierzig Secunden. Es waren Männer genug zum Arbeiten da, es 
ging alles vorzüglich und unsere Expedition reüssirte glänzend. Drei 
von uns waren aber Märtyrer der Wissenschaft, nämlich die Männer 
in der Dunkelkammer. Es haben mehr Yankees den Niagarafall und 
die Mammuthliöhle in Kentucky gesehen, als die Finsterniss vom 
7. August, und es wird bis 1901 dauern, ehe eine andere sichtbar 
sein wird, und diese drei Männer arbeiteten wie Helden und sahen 
nichts von dem grossartigen Phänomen. 
Wir gaben uns vergebliche Mühe, den Eindruck zu schildern, den 
dasselbe auf uns machte. — Wir haben so viele Beschreibungen dieser 
Naturerscheinung gelesen, mit Photographien derselben in der Hand, 
dass wir glaubten, die Sache genau zu kennen und doch w r ie erstaun 
ten wir! Unsere Position am Fernrohr gestattete uns, während unserer 
Arbeit das Fortschreiten der Finsterniss leicht zu beobachten. Eine 
Viertelstunde nach Eintritt des Mondes merkte man schon die Ab 
nahme der Helligkeit und nahe vor der Totalität wurde die Luft so 
viel kühler, dass wir einen Tucliroclc an Stelle unseres Leinenkittels 
zu haben wünschten. Die Luft sah aus, als wollte sich ein Sturm 
entfalten. Eine Wolkenbank that sich im Süden auf, sie fing an sich 
zu färben, erst silberw'eiss, dann grau, dann gelblich, dann glänzend 
gelbroth. Das Himmelblau ging in verschiedenen Farben über. Unsere 
Gesichter erschienen uns schwarzgelblich. Wir beobachteten dies alles 
mit einer gewissen Aufregung wegen der Sorge um unsere Erfolge. 
Die Totalität kam. Es war dunkel, aber nicht das Dunkel der Nacht. 
Lesen hätte man nicht können. Es war dunkler ringsum als in einer 
hellen Mondnacht, doch hell genug, um unsere Arbeit zu verrichten. 
Einen Moment vor völliger Totalität erschien die schmale Sonnensichel 
noch ganz blendend, dann erlosch das Licht wie eine abgebrannte 
Kerze. Da hingen Sonne und Mond, die beiden gewaltigen Gestirne, 
Face an Face zwischen Himmel und Erde, ein grosser schwarzer run 
der Fleck, umgeben mit einem glänzenden Lichtkreis von bräunlich 
goldiger Farbe, hier und da unterbrochen durch die helleren Flecke 
der fleischfarbenen Protuberanzen von ganz unregelmässiger Grösse und 
Gestalt und umgrenzt von der herrlichen Korona, w r elche ihre Strahlen 
nach allen Richtungen schoss, am schwächsten dort, wo die Protube 
ranzen am grössten waren, aber alles in Glorie hüllend, wunderbar 
schön, als wäre der Schöpfer im Begriff, an diesem Wunder seine All 
macht zu zeigen. Alles war still, nur das Zählen der Astronomen 
und das Schlagen unseres Momentverschlusses unterbrach das Schwei 
gen. Die Erscheinung war wie ein Riesenbild der Laterna magica, 
aufgefangen auf dem Himmel als Bildschirm. Wir sahen uns um, es 
erschienen einige Sterne, sie blickten uns fast vorwurfsvoll an. Ein
	        
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