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Gradmessungen.
brauchen, da die Geometrie bekanntlich lehrt, dass der dritte Winkel
eines Dreiecks = 180° weniger der Summe der beiden übrigen Winkel
ist. Aber eben aus diesem Grunde beobachtet man alle drei Winkel
zusammen, um hierdurch eine Controlle über die Richtigkeit der Mes
sungen zu besitzen; beträgt die Summe derselben nicht genau 180°,
so weiss man ungefähr, wie viel Zutrauen die ganze Messung verdient
und vertheilt die herauskommende Differenz auf die drei Winkel. Man
kann nun, wie bereits bemerkt, auch die beiden übrigen Seiten AC
und CD des Dreiecks 1 berechnen und gewinnt hierdurch, da CD
auch eine der Seiten des Dreiecks 2 ist, just die zur Berechnung eben
dieses Dreiecks erforderliche Seite. Auf ähnliche Weise wie im ersten
Dreieck, findet man nun die beiden Seiten CE und ED und schreitet
dann zum dritten Dreiecke vor u. s. w. Verlängert man nun die Seite
AC bis sie den Meridian oder die von Nord nach Süd gerichtete Linie
von B in einem Punkte n schneidet, so entstehen hierdurch zwei neue
Dreiecke, nämlich CFm und mBn, welche auf ähnliche Weise wie die
früheren berechnet, die Längen der Stücke Cm und mn der geraden
Linie An ergeben. Addirt man zu Cm und mn das ebenfalls bekannte
Stück Ac, so hat man sofort auch die Länge der Graden An. Um
aber das Dreieck mBn zu berechnen, genügen die oben benannten
Winkelmessungen nicht, sondern man muss mindestens auch noch den
Winkel FBn, oder das sogenannte Azimuth von F gegen B, messen.
Jetzt kennt man auch den Winkel mnB, denn er ist ja wie eben ge
sagt = 180° — Winkel m — Winkel B; ferner kennt man die Seiten
An und nB und kann hieraus schliesslich die Seite AB oder die gerade
Entfernung zwischen den Punkten A und B berechnen.
So einfach wie hier, stellt sich indess in Wirklichkeit die ganze
Vermessung nicht, denn wir haben stillschweigend angenommen, dass
sich alle Dreieckpunkte in einer Ebene befänden, eine Annahme, die
in Wirklichkeit nie statt hat.
Es handelte sich indess hier nur darum, das Princip der Trian
gulation darzuthun und wir kehren zur Aufzählung der unternomme
nen Gradmessungen zurück, um später specieller bei den Vervoll
kommnungen der Theorie zu verweilen. Wir wissen, dass Newton
seine Untersuchungen über die Gravitationskraft hauptsächlich auf
Picard’s Angabe des Erdumfangs stützte; er erkannte im Verlaufe
derselben, die theoretische Nothwendigkeit einer Abplattung unseres
Planeten an seinen beiden Polen. Die Gravitationslehre hatte aber in
jener Zeit noch Adele Gegner, so dass man der Newton’schen Be
hauptung eine Abplattung der Erde, sehr wenig Glauben schenkte,
obgleich um dieselbe Zeit der französische Astronom Richer bei seiner
Reise nach Cayenne bemerkte, dass seine Pendeluhr hier täglich unge
fähr 2’/ 2 Minuten nachging, während sie in Paris keine Verlangsamung
ihres Ganges zeigte. Newton sah hierin den experimentellen Beweis
der Rotation des Erdballes, so wie seiner Abplattung an den Polen;
denn beide Ursachen vereinigen sich, die Wirkung der SchAverkraft in
der Nähe des Aequators im Vergleich mit nördlicheren oder südlicheren
Gegenden zu schAvächen, Avas dann Aveiter einen langsamem Schlag