Dämmerung.
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oder weniger senkrecht zum Horizonte untergeht. Dieses Letztere
findet am Aequator statt und die Bahn der Sonne liegt immer schrä
ger gegen den Horizont, je mehr man sich vom Aequator entfernt.
Die Dämmerung ist daher in den Aequatorealgegenden am kürzesten
und wird beiderseits gegen die Pole hin immer länger. Für gewisse
Gegenden und gewisse Zeiten ereignet es sich, dass die Sonne über
haupt keine 18 Grad unter den Horizont herabsinkt, den Dämmerungs
kreis also gar nicht erreicht. Es tritt daun gar keine eigentliche
Nacht, sondern zwischen je zwei Tagen bloss eine ununterbrochene
(mitternächtliche) Dämmerung statt. Dies ereignet sich z. B. für Orte
unter 50° nördl. Breite alljährlich am 1. Juni.
Die umstehende Tabelle giebt die Dauer der Dämmerung in Zeit
minuten für alle geogr. Breiten und Tage des Jahres und ist unter der
Yoraussetzung berechnet, dass die letzte Spur der Dämmerung ver
schwindet, wenn die Sonne 18° unter den Horizont herabgesuuken ist
und die Refraction am Horizonte 33' 30" beträgt.
Betrachtet man die Dämmerangserscheinungen häufig und genauer,
so findet man bald mehrere stets mehr oder minder deutlich wieder
kehrende Eigenthümlichkeiten. Bald nach Sonnenuntergang zeigt sich
genau der Sonne gegenüber eine Art von bogenförmigem Segment, das
eine anfangs bläuliche, dann bleiartige Farbe besitzt. Es ist dies der
Schatten der Erde in der Atmosphäre und die nämliche Erscheinung,
welche Mairan mit dem Namen Gegendämmerung bezeichnete. Diese
Gegendämmerung gewinnt mit zunehmendem Sinken der Sonne immer
mehr Ausdehnung und über der scheinbaren Mitte derselben, gegen
den Scheitelpunkt hin, werden gewöhnlich die ersten Sterne sichtbar.
Lambert hat aus seinen Beobachtungen gefunden, dass die Grenze
der dichtem, noch von der Sonne direct beschienenen Luftschichten
gerade durch den Scheitelpunkt geht, wenn die Sonne 6’/2° unter dem
Horizonte steht. Yergl. über die Berechnung der Höhe der Luft aus
den Dämmerungserscheinungen den Artikel Atmosphäre.
W. v. Bezold hat eine ausgezeichnete Beschreibung der Dämme
rung, wie sie sich bei wolkenfreiem Himmel in unsern Klimaten dar
stellt, gegeben. Sogleich nach Sonnenuntergang steigt am Osthimmel
der Erdschatten als aschfarbenes dunkeles Segment herauf und zieht
sich allmählich über den schon eine Zeit laug vorher bis zu 6 bis 12°
Höhe in trüb purpurner Färbung erscheinenden Osthorizont her, der
zuweilen noch durch eine schmale weissliche Schicht von dem tieferen
Blau des Himmels getrennt ist. Den durch das Heraufdringen des
Segments immer schmäler werdenden helleren Gürtel nennt er den
ersten östlichen Dämmerungsbogen oder die erste Gegeudämmerung.
Andererseits ist der westliche Horizont, und zwar auch schon einige
Zeit vor Sonnenuntergang, bis zu einer Höhe, die zwischen 8° und 12°
schwankt, gelb, nach unten zu in's Rothe oder Braunrothe übergehend;
darüber, namentlich in dem Theil zunächst über der Sonne und bis zu
dem ausgesprochenen Blau hinaufreichend, ist eine weisse, sehr durch
sichtige Schicht, welche sich nach dem Untergange zu einer in hori
zontaler Richtung sich ausdehnenden Zone entwickelt, dem Dämme-