Gärungsindustrien. Gerbung.
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eine große Menge reiner und kräftiger Hefe erzeugt werden, welche
der übrigen Maische zugesetzt, in dieser eine reine Gärung und rasches
Hefewachstum erzeugt. Im weiteren Verlaufe soll man dann eine ab
solut spaltpilzfreie Hefe von einer ganz bestimmten, immer gleichen
spezifischen Form, welche in der Hauptmaische nur eine reine, günstig
verlaufende Gärung erzeugen kann, erhalten. Bei Anwendung dieses
Verfahrens fällt die Säuerung fort; Nebengärungen treten nicht ein, so
daß die Ausbeute steigt; die Gärung verläuft normal ohne Schaum
bildung; Lüften ist infolge der Sauerstoffentwicklung an der Anode
überflüssig, und der entstehende Alkohol ist frei von Fuselölen (?) 1 ).
Weiter soll der elektrische Strom — Gleichstrom und Wechsel
strom — zur Entfuselung des Alkohols brauchbar sein. Man hat auch
vorgeschlagen, den Rohsprit mit Natriumbisulfit zu versetzen und auf
diese Lösung Wechselströme ein wirken zu lassen. Die dabei ent
stehende schweflige Säure soll dann auf die Aldehyde und Ketone
reduzierend ein wirken. Nach Versuchen des Verfassers ist eine Ent
fuselung des Rohsprits durch Gleichstrom völlig aussichtslos, da der
Aethylalkohol viel leichter der Oxydation durch den Strom anheimfällt
als die Fuselöle.
Auch bei der Kellerbehandlung der Weine soll sich der
elektrische Strom bewähren, indem er rasch Bukett entwickelt und
jungen Weinen den Charakter älterer Jahrgänge verleiht. Gleichzeitig
soll eine Sterilisation der Weine durch Tötung der Bakterien erfolgen 2 );
endlich soll auch der Säuregehalt der Weine durch elektrische Behand
lung herabgedrückt werden.
Der praktische Erfolg aller dieser vielversprechenden Vorschläge
bleibt aber noch abzuwarten.
Elektrische Gerbung.
Die Beschleunigung der Gerbedauer ohne Beeinträchtigung
der Qualität des Leders ist das Hauptziel der elektrischen Gerbe
verfahren.
Schon 1850 versuchte Crosse, den elektrischen Strom der Gerbung
dienstbar zu machen 3 ); 1860 folgten ihm A. Ward und 1861 W. Rehn
auf diesem Wege.
1871 stellte Meritens 4 ) wohl zuerst im Großen Versuche mit
dem elektrischen Gerbeverfahren an; es geschah in der Wladimir-
Gerberei zu St. Petersburg, wo man sich vollständig an das alte Gerbe
verfahren anschloß, die Häute in Gruben anhäufte und den Gleich
strom — auch Induktionsströme — durch Zinkplatten unten und oben
einführte.
Aehnlich verfuhren Lucien, Gaulard 5 ), Piccard und Webber
Rho des. Später ließ man die Häute unter gleichzeitiger elektrischer
’) F. J. Möller, Zentr. Bakteriol. u. Parasitenkunde 3, II, p. 110.
2 ) D.R.P. Nr. 58137 und 58639.
3 ) F ölsing, Vortrag, gehalten auf der II. Hauptversammlung der deutschen
elektrochem. Gesellschaft. Juni 1895.
4 ) Chem. Industr. 1893, p. 144.
5 ) Elektrot. Zeitschr. 1892, p. 92.