Full text: Lehrbuch der astronomischen Navigation

beschleunigt wird, als dieser durch die obeu erörterten Wirkungen mittelbar ver 
zögert wird. Der Ring der Unruhe ist zu diesem Zweck aus zwei Metallreifen 
von verschiedener Dehnbarkeit zusammengesetzt, und zwar befindet sich dasjenige 
Metall, dessen Ausdehnungscoefficieut größer ist, (gewöhnlich Messing) an der 
Außenseite. Der innere Ring besteht ans Stahl. Um eine innige Verbindung 
beider Metalle an der Berührungsfläche zu erzielen, wird die Balance in der Art 
angefertigt, dass man geschmolzenes Messing um eine massive stählerne Scheibe 
herumgießt und dann den Ring und die „Speichen" herausarbeitet. Der Ring 
der Unruhe ist nahe an den Speichen an zwei diametral entgegengesetzten Stellen b 
durchschnitten, so dass jeder Halbkreis nur an einer Stelle mit einer Speiche 
zusammenhängt. Auf den Halbkreisen sind zur Verstärkung der compeusatvrischen 
Wirkung verstellbare GewichteMund Schrauben m(die compensierendenMassen) 
angebracht. Die Wirksamkeit der ganzen Vorrichtung besteht nun darin, dass sich 
bei steigender Temperatur infolge der stärkeren Ausdehnung des an der Außen 
seite befindlichen Messings die freien „Schenkel" der Balance nach innen biegen. 
Die compensierendeu Massen nähern sich also der Umdrehungsaxe, das Trägheits 
moment des ganzen Systemes wird verringert und der Gang des Chronometers 
beschleunigt. Bei sinkender Temperatur findet die gegeutheilige Wirkung statt 
Indem man die verstellbaren Gewichte auf den Schenkeln der Unruhe verschiebt, 
ist man im Stande, Veränderungen der Compensationswirkung hervorzurufen und 
durch letztere den oben besprochenen Einfluss der Temperatur innerhalb gewisser 
Grenzen nahezu aufzuheben. Ein solcher Ausgleich beider Wirkungen kann aber nie 
in aller Schärfe für sämmtliche Temperaturgrade erreicht werden; denn die Gang- 
änderungen, die sich aus Dimensious-Veründerungen der Balance und Spiral 
feder und vor allem aus den Elasticitäts-Veränderungen der letzteren ergeben, 
erfolgen nach ganz anderen Gesetzen als die durch eine compensierende Unruhe 
bewirkten. Wäre man im Stande, für beide Wirkungen erschöpfende mathematische 
Ausdrücke aufzustellen, so würden ohne Zweifel die Formeln für den ersten Fall 
ein ganz anderes Gepräge tragen und weit complicierter sein als jene für den 
zweiten Fall. Es ist deshalb in der Praxis dem Chronometermacher weiter nichts 
möglich, als die compeusierenden Massen so einzustellen, dass das Chronometer 
bei zwei passend gewählten Temperaturen, z. B. bei 0° und bei + 30° C., den 
gleichen Gang hat. Dann werden weder bei den dazwischen liegenden noch bei 
den zu gewürtigenden extremen Temperaturen sehr große Gangäuderungen auftreten. 
Ein für die erwähnten Temperaturen genau compensiertes Chronometer 
gewinnt bei 15° etwa zwei Secunden. Sind dagegen 0° und 15° oder 15° 
und 30° als Compensationspunkte gewählt, so beträgt der Ausschlag im ersten 
Falle bei 30°, im zweiten bei 0° etwas mehr als vier Secunden. Wenn man 
zum Zweck einer graphischen Darstellung der Gänge die Temperaturen als 
Abszissen und die zugehörigen Gaugwerte als Ordinaten annimmt und entsprechend 
aufträgt, so kennzeichnen die so bestimmten Punkte den Verlauf der Gangcurve, 
welche sich innerhalb der gewöhnlich vorkommenden Temperaturgrenzen von einer 
Parabel sehr wenig unterscheidet.
	        
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