Die Wärmestrahlung der Sonne.
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Sonnentemperatur das Emissionsvermögen zu berücksichtigen, und dies
geschieht am besten nach dem Vorgänge von Le Cbatelier unter der
Annahme, dass das Emissionsvermögen der Sonne gleich 1 sei. Man be
zeichnet die so definirte Sonnentemperatur als die effective.
Demgegenüber hat man nach Violle als wahre Sonnentemperatur
diejenige zu bezeichnen, welche ein Körper von demselben scheinbaren
Durchmesser wie die Sonne besitzen muss, damit er unter Voraus
setzung des gleichen mittleren Emissionsvermögens wie die Sonne auch
in gleicher Zeit dieselbe Quantität Wärme aussendet.
Die Sonnenphotosphäre ist nun zweifellos keine feste Oberfläche,
sondern der am meisten verbreiteten Ansicht nach eine Gasschicht
von merklicher Dickenausdehnung, in welcher die ausstrahlenden
Partikel suspendirt sind. Diese Schicht kann wohl kaum eine gleich
förmige Temperatur besitzen; die letztere wird vielmehr nach Innen
zunehmen. Nach Aussen gelangen auch Strahlungen aus den tieferen
Schichten, welche aber beim Durchgänge durch die oberen eine gewisse
Absorption erfahren. Von einer bestimmten Temperatur der Sonnen
photosphäre kann also gar keine Rede sein, sondern nur von einer mitt
leren, welche der Summe aller Strahlungseffecte aus allen Theilen der
Schicht entspricht.
Obgleich von dieser Schrift alles Hypothetische möglichst fern ge
halten werden soll, ist es doch nothwendig, um den Begriff der Sonneii-
temperatur zu fixiren, noch weiter auf die Consequenzen, welche die
kurz angedeutete Annahme über die Constitution der Photosphäre in
Bezug hierauf nach sich zieht, einzugehen. Bei einer solchen Constitution
tritt nämlich eine Aenderung im Begriffe des Emissionsvermögens ein.
Nehmen wir an, die ausstrahlenden Partikel der Photosphäre besässen
bei der wahren Temperatur der Photosphäre das Emissionsvermögen 1,
so ist das Ausstrahlungsvermögen eines Flächenelementes der Photo
sphäre bei der gegebenen Temperatur doch stets ein kleineres, und zwar
hängt dasselbe bei gegebener Dicke der Schicht von zwei Factoren ab:
von der Anzahl der als sehr klein gedachten Partikel und von dem
Absorptionsvermögen der oberen Schichten. Je grösser die Zahl der in
einem die Schicht durchdringenden Elementarprisma suspendirten Partikel
ist, um so grösser wird das Emissionsvermögen des betreffenden Flächen
elementes, würde aber nur dann den Werth 1 erreichen können, wenn
das Absorptionsvermögen der oberen Schichten verschwindend klein
wäre. Also selbst bei bekanntem Emissionsvermögen der in der Photo
sphäre schwebenden Partikel wird man aus Strahlungsbeobachtungen
stets einen zu geringen Werth für die wirkliche Temperatur der Photo
sphäre erhalten. Es ist nicht leicht, zu übersehen, bis zu welchem