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Seheiner, Strahlung und Temperatur der Sonne.
Der oben ermittelte Werth von 7000° für die effective Sonnentem
peratur wird der Wahrheit wahrscheinlich sehr nahe kommen, und es
erscheint vollständig ausgeschlossen, dass die effective Sonnentemperatur
ausserhalb der Grenzen von 6000° und 8000° liegen könnte; denn selbst
unter Annahme der Lehnebach’sehen Grösse von h { = 0.912 Gr.-Cal.
und der Annahme, dass die Berücksichtigung der Absorption in unserer
Atmosphäre noch solchen Unsicherheiten unterworfen sein könne, dass
der wahre Werth der Solarconstante 5.0 werde, resultirt als effective
Sonnentemperatur immer erst ein Werth von rund 7700°. Das Stefan
sehe Gesetz lehrt eben, dass bei hohen Temperaturen die Intensität der
Strahlung ganz ausserordentlich schnell zunimmt, so dass selbst grössere
Unsicherheiten der Strahlungswerthe nur geringen Einfluss auf die re-
sultirenden Strahlungstemperaturen haben.
Während es, wie schon bemerkt, wegen völliger Unkenntniss des
Emissionsvermögens der Photosphäre ohne Hypothesen nicht möglich
ist, den wahren Betrag der Temperatur derselben zu finden, braucht
man sich jedoch mit der eben abgeleiteten effectiven Temperatur der
Sonne nicht zu begnügen, vielmehr ist es möglich, noch einen Schritt
weiter zu gehen, um die effective Strahlung der Photosphäre selbst, frei
von der oberhalb der Photosphäre stattfindenden Absorption, zu ermitteln.
Man erkennt den Einfluss dieser Absorption sehr deutlich durch den
Lichtabfall, der auf der scheinbaren Sonnenscheibe von der Mitte bis
zum Rande stattfindet. Eine andere Deutung dieses Lichtabfalls ist nicht
zulässig; denn nach dem Lambert’schen oder dem Loininel’schen
photometrischen Grundgesetze ist die Ausstrahlung eines selbstleuchten
den Flächenelements proportional dem Cosinus des Emanationswinkels;
eine selbstleuchtende Kugel muss daher als gleichmässig helle Scheibe
erscheinen. Wollte man aber das Euler’sehe Gesetz zu Grunde legen,
so würde sogar resultiren, dass der Rand heller erscheinen müsste als
die Mitte.
Um die nothwendige Correction anbringen zu können, handelt es sich
darum, genau wie bei dem Probleme der Extinction in unserer Atmo
sphäre, aus der Lichtabnahme nach dem Rand (Horizonte) hin den
Transmissionscoefficienten für die Sonnenatmosphäre und daraus wieder
den Betrag der Gesammtabsorption für die einzelnen Strahlungsbezirke
zu bestimmen.
Zur historischen Orientirung sei angeführt, dass Galilei und Huy-
ghens den Lichtabfall der Sonnenscheibe nach dem Rande zu noch
nicht erkannt habe, während Ohr. Scheiner der erste gewesen ist, der
ihn mit Bestimmtheit wahrgenommen hat. Auch Lambert steht noch
auf dem Standpunkte Galileis, während Bouguer bereits Messungen