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Scheiner, Strahlung und Temperatur der Sonne.
für diese Werthe almileiten. Er nahm dabei an, dass die sogenannten
eruptiven Protuberanzen einfache Gasausströmungen, hervorgebracht
durch Druckdifferenzen, seien. Als gültig mussten hierbei angenommen
werden das Mariotte- und Gay-Lussac’sche Gesetz, die Constanz des
Verhältnisses der specifischen Wärme bei constantem Volumen und con-
stantem Druck. Unter diesen Annahmen leitet Zöllner ab, dass an
der Oberfläche der von ihm als glühendflüssig vorausgesetzten Pkoto-
sphäre eine Temperatur von 13230° herrsche, dass dieselbe nach Innen
zu bei einer Tiefe von 7« Sonnenradius aber bereits bis auf 1112000°
steige.
Später hat Zöllner noch einen anderen Weg eingeschlagen, um die
Temperatur der Sonnenatmosphäre zu bestimmen (dicht an der Grenze
der Photosphäre). Er setzte hierbei nur die Gültigkeit des Mariotte-
und Gay-Lussac’schen Gesetzes voraus und versuchte durch sehr
scharfsinnige Betrachtungen zu einem empirischen Werthe für das Dich-
tigkeitsverliältniss zwischen zwei Atmosphärenschichten von bekanntem
Abstande zu kommen, woraus sich eine Temperaturbestimmung erhalten
liess. In diesem zweiten Falle fand er den Werth 61 350°.
Im Jahre 1886 machte Pernter darauf aufmerksam, dass die auf
dem ersten Wege bestimmte Zöllner’sche Sonnentemperatur zu hoch
sein müsse, da durch die Protuberanzen Metalldämpfe mitgerissen
würden, durch deren Condensation Wärme frei würde. Es dürfte diesem
Punkte wohl wenig Wichtigkeit beizulegen sein. Dagegen bemerkt
Pernter mit Recht, dass die von Zöllner angenommene Höhe der
Protuberanzen von 8000 Meilen viel zu gross sei und man höchstens
1500 Meilen ansetzen dürfe. Damit findet dann eine beträchtliche Re-
duction des Zöllner’schen Wertlies statt.
Pellat brachte eine Methode in Vorschlag, die sich auf die Fol
gerung aus dem Kirchhoff’schen Satze stützt, dass bei gleichbleiben
der Temperatur, aber Vermehrung der Schichtendicke sich das Emissions
vermögen eines Gases demjenigen eines absolut schwarzen Körpers
nähere. Pellat leitet hieraus theoretisch die Möglichkeit ab, durch Be
obachtung des Verschwindens der Absorptionslinien bei verschiedenen
Temperaturen einen Schluss auf die Sonnentemperatur zu ziehen. Es
ist hierbei augenscheinlich vorausgesetzt, dass die Sonne als Gasball
leuchtet, d. h. dass das continuirliche Spectrum von sehr stark ver
dichteten Gasen herrührt.
Frei von jeglicher Hypothese über die Constitution der Sonne und
allein auf der Gültigkeit des Kirchhoff’schen Gesetzes basirend, ist
eine Bestimmung der Temperatur der Sonne in Verbindung mit der
jenigen anderer Fixsterne, welche ich vor einigen Jahren ausgeführt