64
Scheiner, Strahlung und Temperatur der Sonne.
der mittleren Erdentfernung-. Für das Jahr als Einheit erhält man hierfür
den Betrag von 58 X 10 31 Gr.-Cal.
Wenn die specifische Wärme der Sonne bekannt wäre, so würde
man hiermit die jährliche Temperaturabnahme bestimmen können. Man
wird wohl keinen grossen Fehler begehen, wenn man die specifische
Wärme der Sonne gleich derjenigen des Wassers = 1 setzt, da der
Wasserstoff, der jedenfalls einen wesentlichen Bestandtheil der Sonnen
materie ausmacht, eine höhere specifische Wärme (3.41) besitzt, die
meisten anderen Metalldämpfe dagegen eine beträchtlich kleinere.
Substituirt man daher für die Sonne eine Wasserkugel von gleicher
Masse, wobei die Dichtigkeit der Sonne zu 1.4 angenommen ist, so ent
hält diese Kugel 19 X IO 31 g Wasser; die jährliche Temperaturabnahme
wird dann
58 X 10 31
19 X 10 31
= 3?0 betragen und für die zur Zeit als wahrschein
lichste ermittelte effective Temperatur der Photosphäre von 7000° gelten.
Es ist nun nicht bekannt, nach welchem Gesetze die Temperatur
eines Gasballes von der Beschaffenheit der Sonne durch Ausstrahlung
abnimmt. Die vollständige Abkühlung auf die Temperatur des Weltalls
erfolgt natürlich erst in unendlich langer Zeit. Bei der Ungewissheit
über diese Verhältnisse empfiehlt es sich stets, möglichst einfache An
nahmen zu machen, und so soll vorausgesetzt werden, dass die Tem
peraturabnahme nach einer geometrischen Progression erfolge. Berechnet
man dann z. B., wieviel Zeit erforderlich ist, um die Sonnentemperatur
von dem doppelten ihres Betrages auf die jetzige Temperatur von 7000°
zu erniedrigen, so erhält man hierfür den Betrag von rund 1500 Jahren.
Die Intensität der Strahlung wird alsdann nach dem Stefan’schen Ge
setze auf y 16 ihres Betrages herabgesetzt, und es bedarf eigentlich gar
keiner Frage, dass ein so enormer Unterschied auf das deutlichste in
die Erscheinung treten müsste. Es ist aber immerhin interessant, die
Rechnung möglichst strenge durchzuführen. Während man früher ziem
lich allgemein annahm, dass die Wirkung der inneren Erdwärme auf
das Klima verschwindend klein sei, dass letzteres allein durch die
solaren Einflüsse bedingt werde, ist man in neuerer Zeit hiervon ab
gekommen. Nach den Untersuchungen von Zenker 1 ) ergiebt sich, dass
nach verschiedenen Methoden in guter Uebereinstimmung die Tempera
tur der Erdoberfläche ohne Sonnenstrahlung —73° beträgt. Da nun nach
Hann 1 2 ) die mittlere Temperatur der Erde 15° beträgt, so würde der
Effect der Sonnenstrahlung auf die mittlere Temperatur der Erde 88°
1) Thermischer Aufbau der Klimate. Halle (Leipzig) 1895.
2) Hann, Klimatologie. Stuttgart 1897.