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Seheiner, Strahlung und Temperatur der Sonne.
Die Sonnenstrahlung ist eine ausserordentlich complicirte Function
der Wellenlänge, auch ganz abgesehen von der specifischen Wirkung
der verschiedenen Wellen beim Auftreffen auf ponderable Materie und
von den starken Unterschieden der Energie. Die von der Sonne aus
gehende Strahlung ist eben nicht identisch mit der unmittelbar von der
Photosphäre emittirten, da sie einmal die vielfach geschichtete Sonnen
atmosphäre zu passiren hat, wobei eine grosse Zahl von Strahlen ganz
bestimmter Wellenlängen vollständig absorbirt wird, und da andrerseits
die Eigenstrahlung dieser Atmosphäre hinzutritt. Untersuchungen hier
über gehören in das Gebiet der Spectralanalyse und sollen nur insofern
berücksichtigt werden, als sie bei der quantitativen Bestimmung der
Strahlung, um welche es sich hier allein handeln soll, von Bedeu
tung sind.
Bei den sämmtlichen Sonnenstrahlungsuntersuchungen tritt als sein-
erschwerender Umstand der nicht zu vermeidende Durchgang der Strahlen
durch unsere Atmosphäre hinzu, bei welchem je nach der Wellenlänge
der Strahlen ein mehr oder weniger beträchtlicher Betrag der letzteren
durch Absorption für unsere Wahrnehmung verloren geht. Es ist daher
dieser Fehlerquelle besondere Aufmerksamkeit zu widmen, und es soll
demnach den eigentlichen Strahlungsuntersuchungen ein besonderer Ab
schnitt Uber die Absorption der Strahlung, soweit sie optisch wahrnehm
bar und entsprechend am genauesten untersucht ist, vorangehen.
Die Absorption in der Erdatmosphäre.
Die Absorption in unserer Atmosphäre zerfällt in eine selective und
in eine allgemeine. Die selective, die sich durch das Auftreten von
mehr oder weniger scharf begrenzten Linien und Bändern im Spectrum
bemerklich macht, tritt nur in den weniger brechbaren Theilen des
Spectrums auf und geht jedenfalls nicht über die Grenze zwischen Grün
und Blau hinüber. Sie ist verursacht durch die Hauptbestandteile der
Atmosphäre: Sauerstoff, Stickstoff, Wasserdampf und Kohlensäure.
Genauere Untersuchungen über das Spectrum unserer Atmosphäre
haben für den grösseren Theil der Absorptionslinien zur Ivenntniss des
die Absorption verursachenden Stoffes geführt, besonders leicht ist es
hierbei, die Linien des Wasserdampfes von denjenigen des Stickstoffs
und Sauerstoffs zu trennen, wegen des sehr starken Wechsels in der
Quantität des in der Luft aufgelösten Wasserdampfes zwischen heissen
Sommer- und kalten Wintertagen. Für die vorliegenden speciellen
Zwecke ist die genauere Erforschung der selectiven Absorption nicht