Full text: Gesammelte Werke (1. Band)

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Abhandlungen. 
haften Zustand erhöht ist. Nur durch die Nerven hat man die schwache 
Elektricität entdeckt, die sich bei der Berührung zweier heterogener 
Metalle entwickelt, und die nachmals unter dem Namen des Galvanis 
mus für Chemiker und Physiker so wichtig geworden ist. So kann 
auch die krankhaft vermehrte Empfindlichkeit der Nerven vielleicht 
zuweilen Einflüsse des verschiedenen Standes der Sonne und des Mondes 
gegen einander in Nervenkrankheiten anzeigen, so schwach und unbe 
deutend diese an sich auch sein mögen. Daher mag es rühren, dass 
manche, besonders ältere Aerzte in einigen Fällen einen Bezug der 
Mondphasen auf epileptische Paroxysmen und auf periodische Anfälle 
einer gewissen Art von Wahnsinn bemerkt haben, so dass man auch 
die damit behafteten Kranken Mondsüchtige (lunatici) zu nennen pflegte. 
Auch lasse ich es dahin gestellt sein, ob wir hieraus erklären wollen, 
wenn Diemerbroeck versichert, dass die im Jahre 1636 zu Nymwegen 
herrschende Pest hauptsächlich in den Neu- und Vollmonden die Meisten 
befallen und getödtet habe, oder ob es nicht vielmehr Diemerbroeck’s 
zu gewagter Schluss aus einer zufälligen Anomalie dieser Seuche war. 
Ramuzzini hingegen glaubte zu bemerken, und beruft sich auf alle seine 
mitbeobachtenden Kollegen, dass das pestartige Fleckfieber, das in den 
Jahren 1692, 1693, 1694 Oberitalien entvölkerte, immer bei abnehmendem 
Mond mit vermehrter Wuth und Heftigkeit herrschte. Mehr wie Zufall 
kann es aber gewiss nicht gewesen sein, wenn während der Mond- 
finsterniss vom 21. Januar 1693 gerade eine so ungewöhnliche Zahl 
dieser Fleckfieberkranken starben. Ueberhaupt muss man die Schrift 
steller, die über die Einflüsse der Mondphasen auf Kranke so viel zu 
sagen wissen, mit einem gerechten Misstrauen und bedachtsamen Zweifel 
lesen. Denn es geht mit diesen angeblichen Einflüssen der Mondphasen 
oft so, wie mit den Gespenstern. Beide sieht man nur da, wo man 
daran glaubt. Der Glaube an einen solchen Einfluss des Mondes auf 
Krankheiten kann nicht blos den sonst wahrheitsliebenden Beobachter 
täuschen, dass er Relationen zu sehen meint, die wirklich nicht vor 
handen sind, sondern wenn dieser Glaube einmal auf den Kranken über 
gegangen ist, so kann auch bei diesem die Einbildungskraft, die Er 
wartung und die Furcht Erscheinungen erregen, an denen der Mond 
an sich ganz unschuldig ist. Nur der Einbildungskraft und den durch 
sie aufgeregten Leidenschaften kann ich es zuschreiben, dass Sonnen- 
und Mondfinsternisse unleugbar ehemals oft so mächtig und verderbend 
auf Kranke und Nervenschwache wirkten, da hingegen nun kein Arzt 
mehr darauf Bedacht nimmt, kein Kranker mehr etwas davon empfindet.
	        
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