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Anhang. Abhandlungen medicinischen Inhalts.
heit schuldig zu sein glaubten, die Aufmerksamkeit, die ihm das Gou
vernement bewies, da es ihm 30 000 Lires jährlicher Renten für
die Entdeckung seines Geheimnisses bot, mussten nothwendig Verwun
derung bei denen erregen, die bisher seinen animalischen Magnetismus
für ein blosses Phantom gehalten hatten. Seine Schriften dienten wahr
lich eben nicht, diese Verwunderung zu vermindern: voll von Sätzen,
die offenbaren physischen und physiologischen Wahrheiten widersprachen,
blieb es um so unbegreiflicher, wie ihr Urheber so lange ein grosses
Publikum täuschen konnte, wenn sein Mittel nicht besser war als die
Theorie, die er davon zu geben suchte. — Die Kommissarien der Aka
demie und der Fakultät untersuchten endlich die Sache, verwarfen den
Weg, den Mesmer ihnen zur Untersuchung vorschlug, wandten sich an
seinen Schüler, den Arzt des Grafen von Artois, d’Eslon, und glaubten
nun gefunden zu haben, dass bei allen seinen Machinationen, allen
seinen Anstalten nichts wirke, als die Einbildungskraft. Seine Anhänger
fanden freilich diese Untersuchung gar nicht entscheidend, die Versuche
nicht gehörig angestellt, die daraus gezogenen Schlüsse falsch — aber
umsonst, das Publikum folgte den imposanten Gründen der Kommissa
rien, der Magnetismus wurde in Paris nicht mehr der Gegenstand des
Enthusiasmus, sondern des Ridicule, die wenigen noch fest Ueberzeugten
schwiegen. Mesmer verliess selbst Paris, und so wurde alles still.
Nicht so seine Schüler in den Provinzen. Der Marquis von Puy-
seg-ur insonderheit, ein Mann aus einer der angesehensten Familien
Frankreichs, setzte den Magnetismus fort, und rühmte sich bald der
wunderbarsten dadurch bewirkten Erscheinungen und Kuren. Mesmer
wirkte blos durch seine sogenannten Krisen, er aber versicherte, einen
sonderbaren Zustand bei seinen Kranken hervorzubringen, den er sehr
uneigentlich die magnetische Schlafwanderung und noch viel unschick
licher Desorganisation nannte. Durch das südliche Frankreich, die
Schweiz und die benachbarten Rheinprovinzen breitete sich bald die
neue Kurart aus; man hörte von Dingen, die sich nicht wunderbarer
träumen lassen, und durch seltsame Kunstwörter noch fabelhafter
wurden.
Ein Jeder, der diesen sogenannten Magnetismus nur aus unvoll
ständigen Zeitungs- oder Journalartikeln kannte, sie mochten nun für
oder gegen die Sache, von unaufgeklärten Anhängern oder vorschnell
entscheidenden Gegnern geschrieben sein, musste freilich mit Unwillen
oder Mitleid auf die vielen Gönner, Anhänger, Freunde, Zeugen und
Lehrer dieser sonderbaren Kurmethode herabsehen, und über die so sehr
gerühmte Aufklärung unseres Jahrhunderts lächeln, in dem noch solche
dem gesunden Menschenverstände gerade zuwider laufende Fabeln ge
glaubt, geduldet und vertheidigt werden konnten. Dies war allgemeine