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Anhang. Abhandlungen medicinischen Inhalts.
und dass auch dann vielleicht ihre Gründe, Zweifel und Erklärungen
eine ganz andere Gestalt gewinnen dürften, als sie jetzt haben.
Wie wenig man sich auf die anonymischen, in der Berliner Monats
schrift abgedruckten Briefe verlassen kann, um die Geschichte des Bremi
schen Magnetismus daraus kennen zu lernen, werde ich nur an einer
mich besonders angehenden Stelle zeigen, und diese mag dem Urtheil,
das ich davon gefällt habe, zum Belege dienen. Sie lautet so:
„Von der Dem. S. erwähnt Dr. Bicker in seinem Aufsatze zwar
nicht, dass man auf ihre Einbildungskraft gewirkt habe, aber ihr Arzt,
Dr. Olbers, hat es einem Freunde gestanden, dass sie magnetische
Schriften gelesen.“
Gestanden? Was hatte ich denn zu gestehen? Ein sonderbarer
Ausdruck. Ich war ja uninteressirt bei der Sache, und bin es wahrlich
auch noch. Hätte die Kranke Schriften gelesen, die ihr einige Kenntniss
vom Magnetismus hätten geben können, wäre sie mit der sogenannten
Schlafwanderung, als einer Folge des Magnetisirens bekannt gewesen,
warum sollte man dies nicht gesagt haben? Was der Briefsteller hier
sagt, ist entweder blos Unwahrheit, oder, nach Fielding-’s Ausdruck,
eine Unwahrheit mit Worten der Wahrheit. Allerdings ist ein Buch
über’s Magnetisiren im Hause der Kranken gewesen, und dies werde ich
-wohl Allen, mit denen ich je ausführlich über Magnetismus gesprochen
habe, gesagt, nicht gestanden haben, nämlich d’Eslon’s bekannte Er
fahrungen; einmal aber hat die damals so kranke Demoiselle nicht darin
gelesen, wie ich gewiss weiss, und zweitens steht kein Wort von dem
magnetischen Schlaf, einem viel später beobachteten und entdeckten
Phänomen, darin. Widerspricht dies denn also im Geringsten unserm
angeführten merkwürdigen facto? Die Phänomene der magnetischen
Schlafwanderung erfolgten bei einer Kranken, die nichts davon wusste,
und bei der also Einbildungskraft sie nicht hervorbringen konnte.
Unser Briefsteller fährt fort:
„Dr. Olbers fängt an, sich zurückzuziehen. Zwar hat er Antheil
an der Ausübung des Magnetismus bei der Demoiselle A. genommen, und
bei der Demoiselle S. als Hausarzt die Kur dirigiren helfen. Nun aber
sucht er Alles auf die vielleicht heilsamen Wirkungen des Bestreichens
zurückzuführen, ohne sich auf Divinationsvermögen und dergleichen ein
zulassen. Er findet die Gründe in den Druckschriften wider diese
Kurart wichtig und widerräth selbst denen, die ihn deswegen konsul-
tiren, diese Kurart anzufangen, weil die Sache noch zu neu, zu wenig
untersucht und zu gefährlich sei.“
Fast zweifle ich, dass es möglich sei, mehrere falsche und halb
wahre Sätze in wenigem Perioden zusammen zu drängen. Doch nach
der Ordnung.