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Müller und Kempf, Photometrische Durchmusterung
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Die pliotometrischen Messungen der Fixsterne geben direct HelligkeitsVerhältnisse an,
während bei der bisher allgemein verbreiteten Schätzungsmethode nach Grössenclassen Helligkeits
differenzen in Betracht kommen. Der Begriff einer Grössenclasse ist ein ganz willkürlicher und
bekanntlich dadurch entstanden, dass man schon in frühen Zeiten die hellsten Sterne am Himmel
Sterne i. Grösse, die sclnvächsten mit blossem Auge noch sichtbaren dagegen Sterne 6. Grösse nannte
und das dazwischen liegende Helligkeitsintervall in gleiche Stufen zu theilen suchte; später wurden
auch die teleskopischen Sterne an dieses System angeschlossen und nach derselben Scala weiter ge
schätzt. Es fragt sich nun, ob zwischen den gemessenen Lichtverhältnissen und den bisherigen
Grössenschätzungen eine einfache Beziehung besteht. Eine solche wäre a priori nach dem bekannten
psychophysischen Grundgesetz von Fechner*) zu erwarten, welches aussagt, dass, wenn das Auge
zwischen zwei Lichtintensitäten gerade noch einen Unterschied zu erkennen vermag, dasselbe auch der
Fall bleibt, sobald beide Intensitäten in dem gleichen Verhältniss verstärkt oder geschwächt werden;
mit anderen Worten: dass das Unterscheidungsvermögen für zwei nahe gleiche Lichtreize proportional
ist der Grösse des Unterschiedes der beiden Intensitäten, dividirt durch die Intensität selbst. Nach
diesem Gesetz müsste, wenn die Lichtstärken zweier Sterne mit h und h + dh , die entsprechende
Grössendifferenz mit — dg bezeichnet wird, die Gleichung bestehen:
dg — k
dh
wo k eine Constante ist. Durch Integration erhält man:
< 7 m + 1 9 m === ^ { Dg lo g h m 4. i }
ebenso:
dm + n 9m — ^ { Dg ^m Dg + n }
und durch Elimination von k wird, da g m + \ — 9m = 1 und g m + n — 9, n
n zu setzen ist :
= I l 0g (
\ h m + 1 / n ° \ hm+n I
Diese Gleichung gestattet, aus dem beobachteten Verhältniss zweier beliebigen Grössenclassen m und
m + n das Intensitätsverhältniss zweier auf einander folgenden Grössenclassen zu berechnen und zu
entscheiden, ob das Fechner’sche Gesetz in voller Strenge für alle Helligkeiten gültig bleibt. Die bis
herigen Untersuchungen haben diese Frage noch nicht vollkommen gelöst. Steinheil, der schon vor der
Entdeckung des Fechner’schen Gesetzes eine der obigen entsprechende Formel aufgestellt hatte, ist der
erste gewesen, der aus einigen allerdings nicht sehr sicheren Helligkeitsmessungen für die Grösse
log/ den Werth 0.45 abgeleitet hat. Seidel fand später aus seinen photometrischen Beobach
tern +1 /
tungen von 208 Fixsternen mit Zugrundelegung der Grössenangaben der Argelander’schen Uranometria
nova die Zahl 0.46, während Johnson und Pogson den Werth 0.38 angaben. Wolff bearbeitete eben
falls die Grössenangaben der Uranometria nova und ermittelte aus seinem ziemlich umfangreichen
Beobachtungsmaterial die Zahl 0.37, gelangte aber gleichzeitig zu dem Resultat, dass diese Zahl inner
halb des Intervalls von der 1. bis zur 6. Grössenclasse nicht constant sei. Rosen bezog seine Unter
suchungen auf die Grössen der Bonner Durchmusterung und erhielt für die 5. bis 9 . Grösse die
Constante 0.39, Lindemann endlich fand, gleichfalls aus der Bonner Durchmusterung, die folgenden
Werthe:
*) Fechner, G. Th., Ueber ein psychophysisches Grundgesetz und dessen Beziehung zur Schätzung der Stern
grössen (Abhandl. der K. Sachs. Gesellsch. der Wissensch. Bd. IV, pag. 455 ).