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Müller und Kempf, Photometrische Durchmusterung
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für ioo Circumpolarsterne von der 2. bis 6. Grösse mit dem entsprechenden Mittel aus den Werthen
der Bonner Durchmusterung zusammenfällt, und unser System ist, wie schon hier kurz vorausgeschickt
werden soll, so gelegt, dass die ausgewählten 144 Fundamentalsterne zwischen der 4. bis 7. Grösse
dieselbe mittlere Helligkeit ergeben, welche aus den zugehörigen Werthen der Bonner Durchmusterung
hervorgeht.
Bei allen photometrischen Beobachtungen spielt bekanntlich die Extinction des Sternlichts in
der Erdatmosphäre eine wichtige Rolle. Da die Helligkeit der Sterne von der Höhe derselben über
dem Horizont abhängt, so bezieht man die Grössen gewöhnlich auf das Zenith des Beobachtungsortes
und bedient sich zur Reduction auf dasselbe entweder der Laplace’schen Extinctionstheorie oder
irgend einer auf empirischem Wege abgeleiteten Correctionstabelle. Streng genommen müsste auch,
um die Resultate verschiedener Beobachtungsorte vollkommen mit einander vergleichbar zu machen,
noch die Höhe des Ortes über dem Meeresspiegel berücksichtigt werden; da jedoch die Durchsichtigkeit
der Atmosphäre nur sehr langsam mit der Erhebung über der Erdoberfläche zunimmt, so würde die
Reduction auf ein gemeinschaftliches Niveau, beispielsweise das Meeresniveau, für unsere gewöhnlichen
Beobachtungsstationen nur ganz minimale Correctionen erfordern, die im Verhältniss zur unvermeid
lichen Unsicherheit der photometrischen Messungen gar nicht in Betracht kommen könnten. Wichtiger
wäre es, die Schwankungen in Rechnung bringen zu können, welchen die Extinctionscurve an jedem
Beobachtungsorte erfahrungsgemäss infolge der wechselnden meteorologischen Verhältnisse, insbe
sondere des Feuchtigkeitsgehaltes der Luft, unterworfen ist, und welche nicht ganz unmerkliche Beträge
erreichen können. In aller Strenge wäre dies nur dadurch zu erlangen, dass die Abweichung der
Extinctionscurve von dem normalen Verlaufe an jedem Beobachtungstage durch besondere Messungen
bestimmt würde; auch wäre noch auf die Farbe der Sterne Rücksicht zu nehmen, da diese gleichfalls
einen Einfluss auf die Extinctionscurve ausübt. Dadurch würde aber das Arbeitsprogramm so gewaltig
vergrössert Averden, dass in der Praxis an ein derartiges Verfahren gar nicht zu denken ist. So lange
man übrigens sehr grosse Zenithdistanzen aus dem Spiel lässt, fallen die erwähnten Schwankungen
der Extinctionscurve überhaupt nur wenig ins Gewicht, und man wird schwerlich einen merklichen
Fehler begehen, wenn man bis zu Zenithdistanzen von etwa 6o° eine mittlere Extinctionstabelle zu
Grunde legt. Wir haben es uns bei der photometrischen Durchmusterung zur Regel gemacht, diese
Grenze nicht zu überschreiten, und unsere Beobachtungen sind nach Möglichkeit so eingerichtet, dass
die meisten Sterne bei Zenithdistanzen zwischen 40 0 und 50 o gemessen werden konnten. Bei Anwen
dung der für Potsdam abgeleiteten mittleren Extinctionstabelle betragen bei dem grössten Theil unserer
Messungen die Reductionen auf das Zenith etwa o. 10 Grössenclassen und erreichen nur in ganz sel
tenen Fällen den Betrag von 0.25 Grössenclassen; der Fehler, der unseren Helligkeitswerthen hin
sichtlich der Extinction etwa anhaftet, dürfte demnach als nahezu verschwindend zu betrachten sein.
Vor Beginn unserer Durchmusterung hatten wir die wichtige Frage zu entscheiden, welches
von den bisher in die Astronomie eingeführten Photometern sich am besten für unsere Zwecke eignen
würde. Wir haben die Vorzüge und Nachtheile der verschiedenen Apparate sorgfältig in Betracht ge
zogen, und es dürfte hier der Platz sein, einige allgemeine Bemerkungen darüber zu geben. Bei allen
diesen Instrumenten, in denen entweder das Verschwunden eines Lichteindrucks oder die Gleichheit
zweier Intensitäten beurtheilt wird, bildet das menschliche Auge die letzte Instanz, und es geht schon
daraus hervor, dass die Genauigkeit aller Lichtmessungen an eine Grenze gebunden ist, die von den
physiologischen Eigenschaften des Auges abhängt. Die bisherigen Bestimmungen für diesen Grenz
werth weichen nicht unmerklich von einander ab, doch wird man annehmen können, dass ein normales
Auge schwerlich einen Unterschied zwischen zwei Lichtquellen wahrzunehmen vermag, welcher geringer
ist als etwa ein Procent der betreffenden Helligkeit. Wenn es gelänge, einen photometrischen Apparat