Die Auswahl des Beobachtungsplatzes.
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dadurch ein wenig beeinträchtigt, daß dort die Totalität in die nachmittägliche Periode größter
Sommerbewölkung fällt, was für Nordnorwegen (Totalität etwa 1 h. p.) nicht in dem Maße
der Fall ist. Ungünstig für Norwegen fällt dagegen unzweifelhaft ins Gewicht, daß die mittlere
Luftbewegung dort wesentlich stärker als in Südrußland ist.
Gegenüber der Westküste boten Punkte im Inneren Norwegens oder im schwedischen
Binnenlande meteorologisch keine nennenswerten Vorteile. Besser sind dagegen Punkte bei
oder südlich von Kiew, deren meteorologische Gunst der Krim gegenüber aber immerhin zurück
tritt. Die größere Mittagshöhe im Süden dagegen, die für die Beobachtung offenbar an sich
günstig ist, wird durch die Verschiedenheit der Tageszeit der Finsternis für die einzelnen Orte,
wie erwähnt, wesentlich ausgeglichen.
Alles in allem konnte also von diesen Gesichtspunkten aus die Wahl des Beobachtungs
ortes nicht zweifelhaft sein. Die Südküste der Krim vereinigte überragende Vorteile in sich.
Was die Erreichbarkeit der Beobachtungsorte auf der Krim, die ja mit Rücksicht auf den
Transport der schweren und umfangreichen Apparate ins Gewicht fällt, anlangt, so war die
Sachlage etwa folgende: Die Reise nach der Krim wird am besten über Odessa (Eisenbahn
Berlin—Odessa, etwa 43 Stunden)—Sebastopol—Feodosia (russischer Dampfer Odessa—Feo-
dosia, 36 Stunden) zurückgelegt. Erhebliche Ermäßigungen, vielleicht freie Beförderung auf
russischen Bahnen und Dampfern war zu erhoffen, da die russische Regierung Einladungen
zur Beobachtung der Sonnenfinsternis an die Sternwarten hatte ergehen lassen. Auch weit
gehende behördliche Fürsorge aus gleichem Anlaß konnte vorausgesehen werden. Somit waren
die Transport- und Reiseverhältnisse durchaus günstig und die Möglichkeit, einen Beobachtungs
punkt in der Nähe des größeren Hafenortes Feodosia zu wählen, bot außerdem Garantien für
die Auffindung eines passenden Unterkommens für die Teilnehmer und einen bequemen Trans
port der Apparate auf Kunststraßen.
Wenn trotz dieser vielen günstigen Umstände, die für einen Ort auf der Krim ins Ge
fecht geführt werden konnten, unsere endliche Wahl doch auf die norwegische Westküste fiel,
so waren dafür neben einigen weniger wichtigen Umständen besonders folgende Gesichts
punkte maßgebend:
Man mußte annehmen — was sich ja auch voll bestätigt hat —, daß zahlreiche Sonnen
finsternisexpeditionen geplant waren. Daß, abgesehen von den russischen Expeditionen,
die natürlich russische Beobachtungsplätze wählen würden, auch die meisten übrigen
Expeditionen der Kulturvölker sich im südlichen Rußland, speziell in der Krim, ihre Beob
achtungsplätze suchen würden, war auf Grund der ausgeführten Vorteile überhaupt nicht
zweifelhaft. Da die Arbeitspläne der meisten Expeditionen sich wenigstens teilweise über
schneiden und die instrumentellen Hilfsmittel mindestens qualitativ gleichartig sein mußten,
voraussichtlich wenigstens sehr ähnlich sein würden, so erschien es zweckmäßig, wenigstens
eine Expedition nach einem Platze zu führen, der von dem Beobachtungsorte der anderen
Expeditionen möglichst entfernt war. Dadurch bot sich die Möglichkeit, etwaige zeit
liche Veränderungen in der Sonnenumgebung festzustellen; und daß solche im Zeiträume
mehrerer Stunden erwartet werden konnten, erschien nicht zweifelhaft. Das Risiko der
ungünstigen klimatischen Verhältnisse eines Beobachtungsortes an der norwegischen
Küste konnte wohl durch die zu erwartenden wissenschaftlichen Vorteile als mindestens
aufgewogen angesehen werden. Schließlich war die Möglichkeit nicht von der Hand zu
Miethe, Sonnenfinsternis. 2