Full text: L-Z (2. Band)

Paralleliömus, 
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eine solche Beschäftigung, wenn man sie 
für sich selbst vornehmen will, sehr lehr 
reich seyn wird, um die wahre Bewandt- 
niß dessen einzusehen, was von Verbin 
dung des Umlaufs mit der Umdrehung 
der Erde abhängt. Hier will ich nur 
noch bemerken, daß der Aequator AR in 
allen Stellen gerade zur Hälfte im er 
leuchteten Theile liegt, also immer gleiche 
Tage und Nächte hat, daß der Nord 
pol P von bis V immer im Hellen, 
von V bis -2- immer im Dunkeln bleibt, 
mithin sein Tag und seine Nacht ein hat- * 
des Jahr dauern, daß es sich mit dem 
Südpol 0 aus die entgegengesetzte Art, 
übrigens eben so verhält, und daß aus 
der Figur auch sehr deutlich wird, warum 
die Orte um P und Q in der Nähe der 
Stellen und S perpétuelle, ganze Wo 
chen und Monate dauernde Tage und 
Nächte haben. Diese Erklärung ist eben 
so vollständig, als einfach, und trägt 
gleich an der Stirn das unverkennbare 
Gepräge der Wahrheit, zumal wenn man 
dagegen die Erde ruhend annimmt, und 
nun auf Möglichkeiten sinnt, sich alles 
dieses in eben dem Grade begreiflich zu 
machen. 
Inzwischen hat Copernikus hiebei 
den Fehler begangen, daß er zu Bewir 
kung der beständig parallelen Lage P Q. 
außer Umlauf und Umdrehung, noch eine 
besondere dritte Bewegung („motum 
declinationis“) für nöthig hält und der 
Erde beilegt. Die Mechanik war zu sei 
ner Zeit (Ende des löten Jahrhunderts) 
noch unvollkommen, fast, möchte ich sa 
gen, gar nicht vorhanden. Sonst würde 
Er gewußt haben, daß Umdrehung und 
Umlauf („rotatorische" und „progressive" 
Bewegung) bei sonstiger Freiheit nicht in 
einander wirken, und daß die Are der 
Umdrehung durch die Kräfte, welche das 
Fortgehen bewirken, wohl aus der 
Stelle, aber nicht aus der Lage ge 
bracht wird , daher das S i ch - s e l b ft- 
Parallelbleiben dieser Are viel 
mehr Abwesenheit einer dritten 
Bewegung anzeigt. Der uns vielfach 
bekannt gewordene Französische Astronom 
des vorigen Jahrhunderts, d e l a C a i l l e, 
drückt sich darüber besonders passend aus: 
„Ergo sagt Er, („Lect. oiement, 
astron.“ Versio Lat. Sect. II. Pars I. 
c, 1.) j ¡sua natura axis sa Item jntral- 
lelus manet, cum immotus manere nc- 
queat, terra ipsa mota.“ Tych 0 („Epist. 
astron.“ pag. 167.) macht zwar den 
Einwurf, „es sey hart, der groben Erd 
masse (?) dreier!ey Bewegungen bei 
zulegen allein die vermeinte dritte fällt 
hiernach ganz hinweg; — und die ganze 
Sache wird meinen Lesern bei nur eini 
gem Nachdenken über das hier in Bezug 
auf dieselbe Gesagte überhaupt viel ein 
facher^ vorkommen, als der Urheber der 
Indeß will ich (vergl. wieder Eklip 
tik, S. 298.) doch einen Vorschlag zu 
noch mehrerer Versinnlichung machen. 
Die Leser mögen nämlich Ihren Stock, 
welcher die obige NvtativnSare der Erd 
kugel vorstellen soll, an dem einen 
Ende mit Nord-, an dem andern 
mit Südpol bezeichnen, und denselben 
sodann, in der vorgeschriebenen Neigung 
(der 66 ’/ 2 °) gleichmäßig dergestalt um 
die Kaute (die Erdbahn) Ihres runden 
Tisches, dessen Mittelpunct die Sonne 
abgibt, schieben, daß er sich dabei selbst 
stetö parallel erhalten wird; so werden 
Sie zunächst sehen, daß, gleichwie in 
Einem Puncte der Kante (der Bahn) 
der Nord-, im diametral gegen 
überliegenden Puncte der Südpol 
der Sonne zugekehrt ist, und daß in den 
um 90" abstehenden (oben, mit Verwei 
sung hierher, bezeichneten) Zwischen 
stellen (deS V und der =2=) die, die 
Mittelpunkte der Sonne und Erde ver 
bindende Gerade (der Sonnenstrahl) auf 
der Axe (dem Stocke) senkrecht steht, und 
also, beidemal ben A e q u a t v r beschreibt, 
— womit also, erstens, die obige, als 
Folge des „steten Parallelismns der Erd- 
axe" angegebenen Haupt-Erscheinungen 
nachgewiesen sind. 
Verbinden Sie diese so geneigte 
Axe (diesen Stock) hierauf aber in Ge 
danken mit einer frei rvtirende» 
und zugleich frei um de» Tisch da 
hin schwebenden Kugel; so wer 
den Sie sich, zweitens, leicht überzeugen, 
daß der Srock (die Axe) dabei die ein 
mal erhaltene Neigung und Nichrung. so 
lange keine fremde Kraft darauf einwirkt, 
nothwendig behalten (sich selbst parallel 
bleibe») muß, und daß die Erhaltung 
dieses „Parallelismus" also, weit entfernt 
die Folge einer neuen Kraftwirkung zu
	        
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