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Pendel.
man nur durch Versuche ein, solche Se
cunden schwingendes, physisches Pen
del zu construiré», und daraus nach
Maßgabe der vorn beigebrachten Formel
die Länge des mathematischen Se
cunden Pendels abzuleiten, welche sich
also, vorausgesetzt, daß die Wir
kling der Schwere, w o v o n , wie
wir im Allgemeinen sch on oben
gesehen haben und gleich noch
näher se h c n werden', die Länge
des Pendels abhängt, überall
aufderErde dieselbe sey, auch
überall gleich groß hätte finden
müssen. Allein cs ward, augedeutcter-
maßcn, und wie ich nun eben zeigen
werde, vielmehr bald nachher entdeckt,
daß dieß nicht der Fall ist, und daß das
Secundenpendel daher nicht „an allen
Orten der Erde" gleiche Läpge haben
kann, daher dasselbe zwar ein natürli
ches, aber nicht das verlangte allge
meine Längenmaß abgibt.
Die „Schwere" nämlich, zu deren
„Bestimmung d u r ch das Pende l"
ich, bevorwortetermaßcn, also jetzt kom
me , läßt sich, wofern man sie als be
schleunigende Kraft betrachtet, nicht an
ders , als nach ihren Wirkungen messen.
Ihre Größe wirb demnach durch die Ge
schwindigkeit, die sie in einer bestimmten
Zeit erzeugt, oder durch den Raum, durch
den sie die Körper in dieser Zeit treibt,
angegeben; würde dieser Raum für die
nämliche Zeit doppelt, dreifach u. s. w.
gefunden, so würde man sie auch dop
pelt, dreifach u. s. w. nennen, und jene
ihre Größe verhält sich also namentlich
wie der ihr zugehörige Fallraum, z. B.
in 1 (in der ersten) Secunde, d. h. wie
der Werth von £ (Ga lilei' sche Zahl),
welchen Ausdruck wir in allen unsern be
treffenden Formeln dafür angewendet haben
(vgl. die Art. Fall und Schwere).
Da nun, nachgewiesenermaßen, allge
mein g : b (Länge des mathematischen
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Secundenpendels) — 1, so findet,
worauf ich hier zurückkommen wollte,
zwischen der Größe des Fallraumes und
der Länge des Secundenpendels auch
überall Einerlei Verhältniß Statt; und
wenn man also an zwei Orten der Erde
sic Längen der (mathematischen)
S kc u n d e n p e n d e l verschieden er
mittelt , so sind daselbst auch die F a l l-
räume in der ersten Secunde,
und mithin die respectiven Größen der
Schwere verschieden; und es ver
halten sich alsdann diese respec-
tivcn Schweren wie die Fallräume
und wie die entsprechenden Län
gen des Secundenpendels.
Schon Newton hatte (vergl. d. Art.
Abplattung, S. 24, ohne daß H u y-
gens, wie gesagt, gleich Kenntniß davon
gehabt zu haben scheint) diese Verschie
denheit der Pendellängen an verschiede
nen Orten der Oberfläche der Erdkugel
vermuthet; „denn," so raisonnirte dieser
tiefsinnige Denker (,. Principia." 111.
prop. 20 .), und ich dränge seine Schluß
folge aus jenem Art. zur prompten Ueber
sicht hier nochmals in wenige Worte zu
sammen, „denn da die Erdkugel eine ro
tatorische Bewegung hat, so muß der
daher entstehende, die reine Wirkung der
Schwerkraft beeinträchtigende Schwung
unter dem Acquator, als größtem,
am meisten schwingenden Kreise,
auch am größten seyn, und man muß
bei der Annäherung dahin also eine Ab
nah m e d e r S ch w e r e, d. h. der sie
messenden P e n d e l l ä n g e bemerken."
Um dieß zu verificiren, sandte die Fran
zösische Akademie eins ihrer Mitglieder,
Richer,* im Jahre 1671 nach der, un
fern des Aequators (unter 5° nördlicher
Breite) gelegenen Insel Cayenne;**
* Biographische Notice» über diese» oft ge
nannte» Mann finde ich weiter nicht, als
daß er 1696 zu Paris verstorben ist.
* Nach der eigentlichen nächsten Veran
lassung dieses Auftrages ist öfter gefragt
worden; ich finde ste bei Picard (vgl.
Erde, S. 355) : „Mésure de la terre."
4. Artikel, wo dieser Astronom, vielleicht
veranlaßt durch eine Mittheilung New-
ton's, von einer „Conjecture" spricht,
„que, supposé le mouvement de la
terre, les poids devroient descendre
avec moins de force sous l’equateur
que sous les pôles, et que delà il
en résulteroit une différence sur la
longueur des pendules." „Diese Ver
muthung," wird 1. e. hinzugesetzt, „sey
in einer Sitzung der Akademie vorgetra
gen worden— und sie wird also, wie