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Sonnenwende.
in einen Solstitialpunct tritt. Zwar ver
läßt die (im u n u n t e r b r o ch e n e n Laufe
durch die Ekliptik begriffene) Sonne je
nen Punct auch in demselben Augenblicke
schon wieder; da ihre Bewegung aber
langsam ist, und da sich ihr Abstand vom
Aequator (vergl. den unmittelbar voran
gehenden Art.) um diese Zeit einige Tage
lang kaum merklich ändert, so kaun man
annehmen, sie behalte den ganzen betref
fenden (jenen Augenblick enthaltenden)
Tag über, dieselbe Abweichung; — und
solchergestalt wird denn derselbe der T a g
der Sonnenwende (dies solstitii;
Jour du solstice).
Unter dieser Voraussetzung fällt der
Tagkreis der Sonne an diesem Tage
mit demjenigen Wendekreise (vergl.
d. A), dem nördlichen oder südli
chen, zusammen, welchen sic eben erreicht
hat; sie tritt aber jährlich in den Wen
dekreis des Krebses um (der vor
hergehende Artikel erklärt sich über dieses
„um") den 2tsten Juni, und in den
Wendekreis des Stcinbockö um
den Listen December, und dieß sind
also die T a g e derSonnenwende n.*
Die Horizonte der Nordländer schnei
den sich mit den Tagkreisen der Sonne
dergestalt, daß der Wendekreis des Kreb
ses (als eben nachgewiesener solcher
Tagkreis) seinen größten Theil über
und den kleinsten dagegen unter die
sen Horizonten hat, ** wogegen der Wen
* Zur aufeinmalige» Uebersicht bemerke ich,
daß die Sonne <bei ihrer scheinbare»)
Jahresbewegnng) am Listen März den
Ausgangspunkt der F r ü h l i n g s n acht
el e i ch e verläßt und dem S v m i» e r-
solstitium zueilt, welches sie also am
Listen Juni erreicht, wonächst sie am
23sten September in die Herbst-
nacht g l e i ch e und den 21 sten D e cc »,-
H e r in das W i n t e rso l st i t i u m tritt,
und nun wieder zur Frühlingsnachtgleiche
zurückkehrt, um einen neuen nämlichen
Umlauf zu beginnen.
** Wen» man sich zur Bersinnlichung einen
^krdglobus, vorausgesetzt, daß die Eklip
tik mit darauf verzeichnet sey, vornimmt
und sich die Kugel als Scheibe pro-
jicirt denkt, auf welcher demnach die Kreise
der Kugel zu geraden Linien werden,
welche von de», sodann nicht weniger als
dekreis des Steinbocks uutcr allen üb
rigen Tagkreiscn der Sonne mit dem
kleinsten Theile über diese Horizonte
hervorragt und den größten Theil
unter sie verbirgt. Daher haben die
Nordländer zur Zeit der Sonnenwende
um den Listen Juni den längsten Tag
und die kürzeste Nacht, und um den Listen
December den kürzesten Tag und die
längste Nacht, wogegen für die Süd
länder natürlich gerade der umgekehrte
Fall eintritt.
Weil in unsern Ländern mit dem
Eintritte der Sonne in den Krebs der
S o m m e r, und mit dem Eintritte in
den St ein bock der Winter anfängt,
so hat daher unser längster Tag, der
Liste Juni, den Namen der Sommer
sonnenwende (8olstitium aestivum; Sol
stice d’été), der kürzeste, der Liste De
cember, den der W i n t e rsouneuwende
(8oIstitium hibernum ; Solstice d’hiver)
erhalten. Mit Bezug auf die südliche
Halbkugel der Erde sollte dieß freilich
eigentlich auch gerade umgekehrt sep» ;
indeß ist jene Benennung des Listen
Juni als „Sommer-" und des Listen
December als „Wintersonnenwende"
nun einmal allgemeiner Gebrauch
geworden, so daß auch wir dieselbe ohne
Einschränkung beibehalten werden.
Um den Eingangs erwähnten, genauen
Augenblick des Solstitiums zu haben,
vergleicht man die c u l m i n i r e n d e Sou ne
mehrere Tage vor und nach dem Listen
Juni oder Listen December mit einem
Fixsterne von bekannter Länge (Funda
mentalsterne, s. d. A.), wodurch man
also ihre eigene Länge für die betreffen
den Mittage, und somit auch die Ver
änderung in Länge von einem Mit
tage zum andern erhält, und leitet dar
aus sodann durch eine einfache Propor
tion die Zeit ab, zu welcher diese Länge
(und die ihr in diesen Puncten gleiche
Rectascension) eben 90°, oder
(vergl. vorn) 270° betragen hat. Wäre
gerade Linie» erscheinenden Horizonten
der Nordländer schief durchschnitten sind,
so wird diese ungleiche Theilung der Tag-
- kreise durch letzter» sogleich anfchanlich.
Man kan» sich in dieser Art auch durch
unmittelbare Zeichnung helfe», welche ich
de» Lesern anheim hebe.