Full text: L-Z (2. Band)

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Sonnenzeit. 
in den Meridian tritt und der Stern- 
tag damit vorüber ist, so steht die Sonne 
beiläufig noch um jenen 1° morgen- 
wärts vom Meridian ab, und braucht 
daher (weil bei der scheinbaren Tagesbe 
wegung von Morgen nach Abend 15° 
Bogen auf 1 Stunde Zeit kommen) 
auch noch etwann 4 Minuten Zeit, ehe 
auch sie wieder culminirt; — und die 
„S o n n e n tage müssen also „durchschnitt 
lich" 4 Minuten länger als die Stern 
tage seyn. 
Nun finden sich aber diese Sonnen 
tage, wie ich gleich angedeutet und mich 
dieserwegen anticipirend des Ausdruckes 
„durchschnittlich" bedient habe, selbst nicht 
von gleicher Länge untereinander, indem 
zunächst das erwähnte Fortrücken der 
Sonne in der Ekliptik nicht jeden Tag 
gleich viel beträgt. Die Ungleichheit der 
wahren Sonnentage hat aber (vgl.Glei 
chung der Zeit, besonders S. 659) 
außerdem noch eine zweite, und also eine 
doppelte Ursache. Erstens nämlich ist, 
wie gesagt, der Lauf der Sonne in der 
Ekliptik selbst ungleichförmig: sie rückt, 
welchen Umstand ich erst noch im kurz 
vorhergehenden, sie betreffenden Artikel 
näher detaillirt habe, im Sommer täg 
lich nur 57', im Winter dagegen 61' 
fort. Zweitens aber erfolgt dieses Fort 
rücken nicht im Aequator, von wel 
chem sich in gleichen Zeiten auch gleiche 
Bögen durch den Meridian schieben, son 
dern bevorwortetermaßcn in der schief 
gegen jenen Kreis gelegenen Ekliptik, 
deren Richtung im Mittagkreise nur sel 
ten eben so genau ostwärts geht, daher 
hieraus jene zweite Ursache der Verschie 
denheit der wahren Sonnentage unter 
einander erwächst, indem der betreffende 
Dogen der Ekliptik erst auf den Aequa 
tor reducirt werden muß, wobei die je 
desmalige Lage beider Kreise gegen 
einander in Betracht kommt. 
Man sieht hieraus, daß die wahren 
Sonnentage (successiven Rückkehrcn 
der Sonne in den Meridian) um die 
Zeit der Wintersonnenwende am 
längsten seyn müssen, indem die Sonne 
dann nicht nur den angegebenen größten 
Bogen (ostwärts) in ihrer Jahresbahn 
(Ekliptik) beschreibt, und also um so viel 
mehr Zeit gebraucht, ehe sie bei der Ta- 
gesbewegung den Meridian wieder er 
reicht , sondern weil das Fortrücken in 
der Ekliptik zu dieser Zeit auch fast 
parallel mit dem Aequator erfolgt, da 
her die erwähnte Reduction auf den letz, 
teren zugleich den größten Werth gewährt.'" 
Unter diesem Gesichtspuncte kann man 
also mit Recht sagen, daß die Tage (näm 
lich die von einem Mittage zum andern 
gerechneten ganzen Zeiten; nicht das 
bloße Verweilen über dem Horizonte) 
in unserem (der nördlichen Halb 
kugel) Winter länger sind, als in un 
serem Sommer und um die Nachtgleichen. 
Mit der Länge dieser ganzen „wahren 
Sonnentage" ändert sich natürlich zu 
gleich die Länge der Stunden, Minu 
ten u. s. w. der wahren Sonnenzeit, 
und es können also, wie ich deßwegen 
gleich Eingangs hervorgehoben habe, un 
sere (Pendel- oder Taschen-) Uhren, 
als mechanische Werkzeuge von gleich 
förmigem Gange, diese allaugenblick 
liche Veränderung, welcher angeführter- 
maßcn nur der Schatten des Wciscrs der 
Sonnenuhren*'" folgt, nicht angeben. 
* Ich bitte die Leser, zur Bersimilichnug ei 
nen gewöhnlichen Globus, auf welchem 
die Ekliptik mit verzeichnet zu seyn 
pflegt, vorzunehmen, und eine» Bogen 
der letzteren in ihrem weitesten Abstande 
vom Aequator (in der „Sonnenwende") 
durch zwei Meridiane auf den letzteren 
zu bringen, so werde» Sie sogleich sehen, 
wie viel größer der zwischen diesen 
Meridianen enthaltene A eg na tvrs bo 
gen als der entsprechende Bogen der Eklip 
tik ist. Dieß gilt zwar, könnte man 
mir einwenden, nicht weniger für die 
S v m »i e r s o n n e n w e n d e ; alle!» im 
Sommer beträgt, wie ich oben nach 
weise, das alltägliche Fortrücken derSonne 
in der Jahresbahn (61 — 57 =) 4 
volle Minute» weniger, um welche 
demnach der auf den Aequator zu redu- 
cirende Bogen der Ekliptik kleiner ist. 
- Genauer findet sich dieß Alles ausein 
andergesetzt in dem schon citirten Artikel 
Gleichung der Zeit, besonders wie 
der S. 659, und auf welchen ich frei 
lich, wenigstens zur Vervollständigung, 
verweisen muß, wenn ich hier nicht zu 
weitläuftig werde» soll. 
** Um so mehr Aufmerksamkeit verdiene 
also die Erfindung von Sonnenuhren,
	        
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