Full text: L-Z (2. Band)

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Stabilitäts-Problem. 
abhängigen siderischen Umlaufs 
zeiten im Laufe der Jahrtausende pro 
gressiv ab- oder zunehmen, so hat die 
Theorie der Gravitation diese 
Sache zu untersuchen. Begreiflicherweise 
ist die Antwort auf diese Frage von der 
höchsten Wichtigkeit für die Stabilität, 
zumal für unsere Erde, insofern eines- 
theils eine bedeutende Veränderung der 
siderischen Jahreslänge auch eine bedeu 
tende Veränderung, der Länge des die 
Witterung und das Gedeihen der gesamm- 
ten organischen Natur bedingenden tro 
pischen Jahrs nach sich zieht, andern- 
theils aber eine beträchtliche Annä 
herung der Erde an die Sonne oder 
eine beträchtlich weitere Entfer 
nung von derselben eine über alle un 
sere Vorstellungen hinausgehende Zu 
nahme der Hitze oder Kälte, und somit 
wiederum ein Aufhören des uns bekann 
ten organischen Lebens zur Folge haben 
würde. Dazu kommt noch, daß, wenn 
z. B. die mittlere Entfernung der Erde 
von der Sonne beständig ab - und die 
der Venus beständig zunähme, die Ge 
fahr des Zusammenstoßcns beider Plane 
tcn eben so groß wird, als bei der be 
ständigen Zunahme der E r c e n t r ic i tä t 
beider Bahnen. 
6) Ein sechstes Element ist noch die 
Bestimmung des von der Sonne aus ge 
sehenen (heliocentrischen) Orts des Pla 
neten zwischen den Fixsternen für eine 
feste Epoche, z. B. für den Anfang 
des Jahrs 1500. Bewegt sich der Pla 
net mit der Zeit immer schneller, 
so läßt sich diese Beschleunigung unter 
gewissen Umständen (nämlich wenn da 
bei die mittlere Entfernung des Planeten 
von der Sonne sich nicht ändert) so an 
sehen , als wenn die zur Rechnung an 
zuwendende (und nach dem dritten Kep- 
l e r'schen Gesetz unmittelbar aus der mitt 
leren Entfernung des Planeten von der 
Sonne zu berechnende) Umlaufszeit un 
verändert bliebe, und dagegen der helio 
centrische Ort (die heliocentrische Länge 
des Planeten in seiner Bahn) für die 
Epoche 1500, aus den Beobachtungen 
des Jahrs 1700 vermittelst jener unver 
änderlichen Umlaufszeit rückwärts berech 
net, östlicher liegt, als der heliocem 
irische Ort für die Epoche 1500, aus 
den Beobachtungen des Jahrs 1600 ver 
mittelst jener unveränderlichen Umlaufs 
zeit rückwärts berechnet, — und so für 
die folgenden Jahrhunderte immer 
mehr östlich. Oder bewegt sich der Pla 
net mit der Zeit immer langsamer, 
so läßt sich diese Verzögerung (wenn da 
bei die mittlere Entfernung des Plane 
ten von der Sonne unverändert bleibt) 
so ansehen, als wenn der heliocentrische 
Ort für die Epoche 1500, aus den Beob 
achtungen des Jahrs 1700 vermittelst 
jener unveränderlichen Umlaufszeit rück 
wärts berechnet, westlicher liegt, als 
der heliocentrische Ort für die Epoche 
1500, aus den Beobachtungen des Jahrs 
1600 vermittelst jener unveränderlichen 
Umlausszeit rückwärts berechnet, und so 
für die folgenden Jahrhunderte immer 
mehr westlich. Ob nun eine solche Sä- 
cular - Ungleichheit der Länge 
der Epoche statt findet oder nicht, ließ 
sich aus den unmittelbaren Beobachtun 
gen schwer entscheiden ; daher konnte auch 
diese Sache nur vermittelst der Theorie 
der Gravitation ermittelt werden. Wenn 
gleich nun diese Säcular - Ungleichheit 
für die Stabilität auf den ersten Blick 
von der geringsten Bedeutung zu sepn 
scheint, so müssen wir doch bedenken, daß 
aus dieser Erscheinung unter gewissen 
Umständen scheinbar eine fortwährende 
Beschleunigung oder Verzögerung der 
mittleren Bewegung des betreffenden Pla 
neten oder Trabanten hervorgehen kann, 
welche zu Bedenklichkeiten Veranlassung 
gibt. Hierhin gehört die höchst merkwür 
dige säkulare Beschleunigung unseres 
' ondes. Sie hat im vorigen Jahr 
hundert angefangen, sich den so sehr ver 
vollkommneten Beobachtungen zu offen 
baren. So lange diese noch nicht so 
haarscharf waren (selbst die Fla mst eed- 
schen Beobachtungen im Anfang des acht 
zehnten Jahrhunderts mit eingeschlossen), 
erhielt man die genaueste Bestimmung 
des synodischen Monats durch Verglei 
chung der ältesten uns bekannt geworde 
nen Mondfinsterniß-Beobachtung (zuBa 
bylon im Jahr 721 vor Chr.) mit den 
neuesten Mondsbeobachtungcn, wobei die 
Ungewißheit einer Viertelstunde in der 
Bestimmung des Mittels der Finsterniß 
(oder des Augenblicks des Vollmondes) 
durch den inzwischen verstrichenen langen 
Zeitraum von mehr als 30000 synodischen
	        
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