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Stabilitäts-Problem.
Anwendung desselben in allen Einzeln-
beiten ein höchst verwickelter Gegenstand
des CalkulS. Wird aber darum jemand
unter uns sagen wie König AlfonS von
Kastilien: Ich hatte dem höchsten Welt-
baumeister bei der Schöpfung eine ein
fachere Anordnung des Weltsystems vor
geschlagen , wenn er mich zu Rathe ge
zogen hatte? Gewiß nichts denn nun ist
ja die Verwickelung nicht auf Seiten
Gottes bei der Anordnung, son
dern auf Seiten der Menschen bei der
Berechnung, wegen deS beschränkten
menschlichen Verstandes. Ich habe in
deß Grund zu hoffen, daß die ganze
Theorie der Störungen der Hauptplane
ten bald ausnehmend werde vereinfacht
werden durch die Untersuchungen des be
rühmten Jaco bi, vornämlich durch An
wendung der sogenannten elliptischen
Functionen, wonach selbst derjenige Theil
der Theorie, an dessen weiterer Verein
fachung ein Hansen verzweifelte (die
von demselben so genannte natürliche
Convergen; der Störungs-Function),
vereinfacht wird. Und auch wenn diese
Hoffnung vergeblich wäre, so können wir
uns doch trösten, indem wir uns das
unendliche göttliche Wesen lebhaft verge
genwärtigen , gegen welches die mensch
liche Natur in ein Nichts verschwindet,
so daß wir von dem durch Iesa ias
(Cap. 55, Vers 8. 9.) ausgesprochenen
Worte des Herrn, das eigentlich sich aus
das ewige Seelenheil der Menschen be
zieht , eine Anwendung auch auf natür
liche Gegenstände machen können: „Meine
Gedanken sind nicht eure Gedanken, und
eure Wege sind nicht meine Wege; son
dern so viel der Himmel höher ist denn
die Erde, so sind auch meine Wege hö
her denn eure Wege, und meine Gedan
ken denn eure Gedanken."
Was nun die Lösung des „Stabili
täts-Problems" betrifft, so haben die aus
gezeichnetsten Geister des vorigen und
des gegenwärtigen Jahrhunderts darin
schon viel gearbeitet, und noch mehr hat
man darüber gesprochen. Aber da
der menschliche Geist nur zu sehr geneigt
ist, über die von der Erfahrung gesteckten
Grenzen hinaus sich auf Flügeln der
Phantasie zu sogenannten ewigen Ge
setzen zu erheben, so müssen wir erin
nern, daß es insbesondere des Astro
nomen unwürdig ist, von der Allge
meinheit irgend eines Gesetzes des Welt
systems a priori zu sprechen, da ihm zur
Prüfung die Mittel der feinsten Beob
achtung und der umfassendsten mathema
tischen Analysis zu Gebote stehen. Man
denke sich zwei Menschen, den einen mit
frommem, aber blindem Glauben ausge
rüstet , welcher im Vertrauen auf die
unendliche göttliche Weisheit eine ewige
Harmonie oder Stabilität des Weltsy
stems von vorn herein annimmt als et
was Gottes Würdiges; den andern, ei
nen geborenen Zweifler, welcher sich nur
an die Resultate der strengsten wisscn-
schafrlichcn Prüfung hält; man denke sich,
daß beide, unabhängig voneinander, den
einmal betretenen Weg verfolgen, daß
aber zuletzt die Wege beider zu demsel
ben Ziele führen; wird nicht alsdann die
Allmacht und Weisheit Gottes um so
herrlicher strahlen? Wird nicht dadurch
der Wissenschaft erst ihr rechter Triumph
bereitet? Wird nicht auf diese Weise der
menschliche Geist das vollkommenste Zeug
niß von den ihm verliehenen Anlagen
ablegen? Wenn wir die Sache aus die-
s e m Gcsichtspuncte betrachten, so müssen
wir gestehen, daß noch viel zu erforschen
übrig ist, selbst in Beziehung auf das
unsern Blicken am nächsten Liegende, die
Harmonie des Sonnen- und Mondlaufs.
Es fehlt in dieser Beziehung nicht an
Deklamationen, welche mehr aus dem
Orange der Sehnsucht, als aus der be
reits gründlich abgeschlossenen Untersu
chung hervorgegangen zu seyn scheinen,
selbst bei den ersten Geistern, so daß wir
auch einen Laplace nicht ganz aus
schließen dürfen, wenn anders die von
ihm gebrauchten Ausdrücke, absolute Ewig
keit u. dgl., nicht etwa cum grano sa
tis zu verstehen sind.
„Nach dem Mond rechnet man die
Feste," sagt der weise Sirach (Cap. 43,
V. 7. 8.): „er ist ein Licht, das ab
nimmt und wieder zunimmt; er macht
den Monat, er wächst und verändert sich
wundcrbarlich." Diese kurzen Worte ent
halten einen tiefen Sinn, nämlich nichts
Geringeres als eine Ahnung jener ewi
gen Harmonie, welche vollständig zu be
gründen und zu begrenzen erst den neue
sten Zeiten vorbehalten war. Denn so
sehr es auch schon die edelsten Krakle des